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Vom Hans Otter Theater Potsdam zur Berlinale: Melanie Straub: „Dresen drängt nichts auf“

Schauspielerin Melanie Straub hat für den Berlinale-Beitrag „Als wir träumten“ einen Ausflug vom Hans Otto Theater ins Filmgeschäft gemacht. Im Interview spricht sie über ihre Rolle und wie sie die Wende-Zeit erlebt hat.

Von Sarah Kugler

Frau Straub, Sie haben in Bezug auf Ihr Alter mal gesagt: „Mal bin ich 30, mal drei und manchmal fühle ich mich wie noch gar nicht geboren.“ Wie alt sind Sie denn als Daniels Mutter, Ihr Charakter in Andreas Dresens neuem Film „Als wir träumten“?

Ich glaube, sie ist vor allem sehr müde, erschöpft, alleine, einsam und ich denke eher alt als jung, gleichzeitig aber auch unbeholfen und darin dann wieder zu jung für alles. Sie ist überfordert und zeigt das auch, wenn sie zum Beispiel zu ihrem Sohn sagt: „Du bist mein Unglück.“ Das ist schon ein harter Satz, den ich da sagen musste.

Die Jungs sind aber auch sehr wild, ziehen einen illegalen Nachtklub hoch, brechen Autos auf. Nun sind Sie selbst auch Mutter, wie geht man an so eine Rolle ran, mischen sich da eigene Gefühle mit rein?

Tja, wie geht man da ran? Ich glaube, was ich an dem Roman und auch an der Art und Weise, wie Andreas Dresen an die Figuren rangegangen ist, so mag, ist dass sie mit einer solchen Liebe ohne jedes Vorurteil betrachtet werden. Es werden dabei unterschiedliche Lebensphasen nebeneinandergestellt: Der Abschied von der Kindheit, das wilde Junge, das noch alles ausprobiert, und daneben die Erwachsenen, die schon fertig sind und funktionieren müssen.

Ihre Figur muss also funktionieren?

Ja, auf jeden Fall. Sie ist alleine, der Mann ist weg. Sie muss arbeiten, um Geld zu verdienen und sich um ihren Sohn kümmern. Die beiden erleben diese Umbruchphase unterschiedlich. Die Eltern haben Angst vor der Arbeitslosigkeit und die Jugendlichen sehen all die Möglichkeiten und die Freiheit, alles haben zu können. Man kann jede Figur in ihrem Handeln nachvollziehen, mitfühlen, weil man weiß, wie es ist, Umbrüche zu erleben, wie es ist ,wenn Gewohntes, die vermeintliche Sicherheit wegbricht.

Der Film spielt um die Wendezeit. War dieser Umbruch für Sie persönlich wichtig?

Das ist tatsächlich ein Thema, das mich schon immer beschäftigt hat, obwohl ich es selber nur von weit weg und vom Fernseher aus miterlebt habe. Aber ich habe viele Freunde, die direkt von dieser Zeit betroffen waren, bei denen auch etwas weggebrochen ist und von daher ist das ein immer präsentes Thema. Davon abgesehen gibt es ja viele andere Umbrüche, die man erleben kann, und das ist auch das Schöne an dem Buch oder auch an Andreas Dresens Film: Jeder kann daraus etwas für sich mitnehmen – also zumindest die, die wollen.

Kannten Sie denn das Buch von Clemens Meyer schon vor dem Dreh?

Ja, das liebe ich schon lange und habe es noch mal gelesen, als die Anfrage kam. Und dann habe ich mir ganz konsequent alle Szenen rausgeschrieben, das sind ja letztendlich nur drei im Film, im Buch ein paar mehr. Dabei habe ich versucht, mir alles nahezubringen und auch offen zu bleiben für die Dinge, die kommen. Ich hatte ja noch nie vorher mit Andreas Dresen zusammengearbeitet.

Sie kannten sich auch vorher nicht?

Doch, er kannte mich vom Theater, er hat zum Beispiel „Der Widerspenstigen Zähmung“ gesehen und wir haben schon ein paarmal bei Premieren miteinander gesprochen. Und ich kenne natürlich seine Filme.

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Dresen gilt als Regisseur, der seinen Schauspielern viel Freiraum lässt. Wie war das bei Ihnen?

Genau so war es. Es gab Gespräche im Vorhinein, aber ansonsten drängt er nichts auf, ist sehr achtsam, hat sehr viel Humor. Da entwickelte sich viel direkt am Drehtag und er hat mir ein unendliches Vertrauen gegeben.

Haben Sie den Film denn auf der Berlinale sehen können?

Ja, und ich war so nervös, dass ich die ganze Zeit gezittert habe. Dabei habe ich ja nur diese kleine Rolle, aber ich bin immer aufgeregt bei so was, auch bei Premieren im Theater, das ist ganz schlimm.

Gehen Sie denn an eine Filmrolle anders heran als beim Theater?

Es ist grundsätzlich eine andere Herangehensweise. Beim Theater hat man mehr Zeit, sich eine Rolle zu erspielen. Meistens probt man einen Monat in einem angedeuteten Bühnenbild und Probenkostümen. Dann gibt es zwar die Premiere, bei der natürlich der Text und alles sitzen muss, aber oft entwickeln sich die Figuren im Laufe der Zeit noch weiter, von Aufführung zu Aufführung. Von daher denke ich auch oft, dass man sich das Stück ruhig ein paar Wochen nach der Premiere noch mal ansehen sollte, um einen ganzen Eindruck zu bekommen.

Und beim Film?

Da muss man sehr früh wissen, wer man ist. Es wird ja nicht nach der chronologischen Reihenfolge gedreht, also muss einfach klar sein, in welcher Szene meine Figur wo steht. Es ist viel Vor- und Nacharbeit zu leisten, zum Beispiel die Motivsuche, Kostüm, Maske und Schnitt. Von der Konzentration her unterscheidet es sich dann aber auch wieder nicht so viel.

ZUR PERSON: Melanie Straub, 1976 geboren, stammt aus Waiblingen bei Stuttgart. Sie studierte an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin, seit 2009 gehört sie zum Ensemble des Hans Otto Theaters.

Insgesamt haben Sie noch nicht in so vielen Filmen mitgespielt, schlägt Ihr Herz schon mehr für das Theater?

Mein Herz schlägt für das Erzählen wertvoller Geschichten. Ich mochte etwa Eduard Keyserlings Roman „Wellen“ sehr gerne und auch die Bearbeitung von Barbara Bürk für das Theater. Die Inszenierung war toll, die Geschichte war spannend und hat eine ganz tolle Sprache – ein Aspekt, der sehr wichtig für mich ist.

In Ihrer Zeit am Magdeburger Theater haben Sie sehr viele klassische Rollen wie Fontanes Effi Briest, Goethes Iphigenie oder Lessings Emilia Galotti gespielt. Fehlen Ihnen die klassischen Stoffe am Hans Otto Theater manchmal?

Ich muss gestehen, ich vermisse die Sprache sehr, ja. Es ist einfach das, was Theater auch ausmacht, das Handwerk. Die Verse, der Rhythmus, das muss man für sich übertragen: Was bedeutet das eigentlich? Das ist ein ganz anderes Gefühl als bei modernen Stücken.

Warum?

Da ist die Sprache eher filmisch, der Zuschauer kann sich dabei mehr zurücklehnen. Das Publikum mag das und das ist auch in Ordnung, denn es bedeutet ja nicht, dass die Stücke schlecht sind. Eine Herausforderung sind alle Stücke. Ich vergleiche die Zeit in Magdeburg auch nicht mit der in Potsdam. Das kann man gar nicht, die Theater und auch die Städte funktionieren ganz anders. Ich bin einfach glücklich, hier zu sein und neue Möglichkeiten zu haben.

Spielen Sie, um den Menschen etwas mitzugeben?

Ja, auf jeden Fall. Ich mag es, Geschichten zu erzählen, den ganzen Sandkasten des Lebens auszubuddeln, auch mal jemanden mit der Schippe zu hauen, alles auszuleben, was man sonst nicht mehr darf, und das möchte man teilen.

Das Gespräch führte Sarah Kugler

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