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Kultur: Vom Aufbruch in andere Welten

Das dritte Globians Film-Festival im Alten Rathaus ging mit einem Besucherrekord zu Ende

„Leider musste ich manchmal raus, um etwas zu essen“, sagt sie fast entschuldigend. Der sympathischen rothaarigen Frau konnte man während des Globians Film-Festival der Weltkulturen im Alten Rathaus in Potsdam immer wieder im Zuschauerraum und während der zahlreichen Filmgespräche begegnen. Die 66-jährige Lilly Wolfensberger ist selbst Filmemacherin und war, wie auch 27 ihrer Kollegen aus aller Welt, eigens für eine Woche aus Mexiko angereist, um hier neue internationale Dokumentarfilme zu sehen und auch ihren eigenen Film zu präsentieren.

Am Freitagabend wartete sie gespannt auf die Vorführung der Fernsehdokumentation von Anne Makepeace über die aufsehenerregende Migration von 13 000 Somali-Bantus, die – nach 13 Jahren in kenianischen Flüchtlingslagern – als bedrohte Minderheit ab 2003 großzügig Asyl in den USA bekamen. Die US-amerikanische Filmemacherin begleitet in ihrer ungewöhnlichen Dokumentation fast zwei Jahre lang zwei afrikanische Familien, die in Springfield beziehungsweise in Atlanta eine neue Heimat finden sollen. Sie erzählt einfühlsam und vor allem aus der Sicht der Afrikaner über deren Ankunft im amerikanischen Alltag.

Der Weg dahin ist jedoch voller Hindernisse und Stolpersteine. Noch im kenianischen Lager Kakuma bekommen die Menschen, die vorher hauptsächlich Bauern in einem der ärmsten Länder der Welt waren, eine erste kulturelle Orientierungshilfe für den „American Way of Life“. Trotz aller Schwierigkeiten beispielsweise beim ersten Schreiben von englischen Buchstaben, dem Kochen mit Gasherden oder dem Benutzen von Geldautomaten, steht ihnen die Begeisterung über den Aufbruch in die neue Welt deutlich ins Gesicht geschrieben. Dort mitten im Winter angekommen, wurden sie von freiwilligen Mitarbeitern aus sozialen Organisationen begleitet, die die Neuankömmlinge persönlich sowohl bei schulischen Problemen der insgesamt elf Kinder als auch bei der Arbeitssuche der Eltern unterstützen. Und wenn der Moslem Aden länger als andere braucht, um sich zurecht zu finden, steht ihm jemand bei, wenn er eine passende Arbeit oder eine neue Rolle als Familienoberhaupt annimmt.

„Das könne man mit der Praxis in Deutschland überhaupt nicht vergleichen“, erzählten in der darauffolgenden Diskussion „Afrika in Brandenburg“, der Kameruner Tita Koyima und der Asylbewerber Alain. „Es ist total schwierig, wenn man hier ankommt und im Wald landet“. Jeder Tag sei wie eine „Fotokopie vom anderen“ gewesen, fassen sie bitter ihre Erfahrungen zusammen. Dass das vorbildliche amerikanische USRP-Programm, von dem im Film die Rede war, auch in den USA nicht die Regel ist, wurde dann in dem vom „Zeitpfeil“-Netzwerk für politische und (inter)kulturelle Bildung begleiteten Filmgespräch jedoch ebenfalls deutlich.

Über 1000 Besucher in neun Tagen ist die erfreuliche Bilanz des diesjährigen dritten Globians-Festivals. Für das kommende Jahr wünscht sich Festivalchef Joachim Polzer wiederum so viele interessierte und aufgeschlossene Besucher und ein wenig mehr kulturpolitische Resonanz in Potsdam selbst. Lilly Wolfensberger, die bis Freitag einen Großteil der mehr als 70 Filme gesehen hat, „schwänzte“ allerdings am Samstagabend. Denn die Potsdamer Schlössernacht wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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