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Macht glücklich. Birgit Zemlicka-Holthaus musste allerdings erst ihre Eltern davon überzeugen, dass die Oboe das richtige Instrument für sie war.

© Andreas Klaer

Kultur: Volles Rohr

Birgit Zemlicka-Holthaus spielt Oboe, ein spannungsgeladenes Instrument mit aufregend schönem Klang – zum Verlieben, sagt die Österreicherin

Die Autorin lernt: Oboisten fotografiert man nicht beim Spielen. „Das sieht nicht besonders schön aus“, sagt Birgit Zemlicka-Holthaus. „Es wirkt anstrengend, die Luft durch die Miniöffnung des Mundstücks zu führen“, sagt die Oboistin der Kammerakademie Potsdam. Die Lippen werden dabei nach innen gerollt, und dann muss, ohne das empfindliche Doppelrohrblatt des Mundstücks zusammenzudrücken, ein konstanter Druck erzeugt werden, mit dem man den Luftstrom durch diese kleine Öffnung in den Korpus schiebt. Das braucht eine kräftige Gesichtsmuskulatur und eine gute Atemtechnik, auch das Zwerchfell arbeitet mit. Ein Instrument zum spontanen Verlieben, wenn man jemandem beim Spielen zuschaut, sei die Oboe nicht.

Und doch hat es sie damals voll erwischt. Birgit Zemlicka-Holthaus war zwölf Jahre alt und erlebte in der Kirche ihres Heimatdorfs in Österreich ein Konzert mit Orgel und Oboe. „Alte Musik. Und dieser Klang hat mich sofort umgehauen. Das klingt jetzt vielleicht kitschig – aber der berührte einfach meine Seele.“ Damals spielte sie bereits Klavier und Blockflöte. „Zu Hause ging dann das Theater los“, erinnert sich die Musikerin leicht amüsiert: „Was bitte ist eine Oboe?“

Aber sie setzt sich durch und fährt einmal in der Woche in das 100 Kilometer entfernte Linz zum Unterricht, weil Oboe an der heimischen Musikschule nicht angeboten wird. Die ersten Töne sind schwer, in der ersten Stunde kommt zunächst gar nichts raus. Aber dann funktioniert es. Das merken die Eltern und greifen eines Tages tief in die Tasche, um ihr ein eigenes Instrument zu kaufen. „Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mich dann unterstützten.“ Sie besucht anschließend ein Musikgymnasium und studiert an der Hochschule für Musik und Theater München bei Professor Günther Passin, bekannter Solo- Oboist am Radio-Symphonie-Orchester in Berlin. „Ich hatte immer gute Lehrer. Ein guter Lehrer sieht seinen Schüler, die Fähigkeiten und Schwächen. Und dann geht man gemeinsam einen Weg.“

Birgit Zemlicka-Holthaus pendelt bald wie ihr Lehrer zwischen Berlin und München, denn sie wird, noch während des Studiums, als Akademistin bei der Komischen Oper Berlin angenommen, hat nun Spielplanverpflichtungen und bekommt zusätzlichen Unterricht. Heute nutzt sie diese Erfahrungen, um an der Kammerakademie Potsdam das neue Programm KAPcampus aufzubauen, bei dem das Orchester erstmals Stipendiaten fördert. Nachwuchsarbeit. Fünf Studenten werden über zwei Jahre den Orchesteralltag kennenlernen, Proben, Aufführungen, ein eigenes Konzert entwickeln. Die Akademisten sollen zudem lernen, wie man sich als selbstständiger Musiker organisiert, von Versicherung bis Steuern. „Das ist auch eine Investition in unsere Zukunft, vielleicht bleibt einer bei uns hängen. Jemand, der zum Profil des Orchesters passt.“

Sie selbst gehört seit 2012 zu dem Potsdamer Orchester und spielt hier auch die mit der Oboe verwandten Instrumente, das Englischhorn, eine Quinte tiefer, und Oboe d’amore, eine Terz tiefer gestimmt. Die Oboe galt noch bis vor wenigen Jahren als schwierig zu spielen, was an der Qualität früherer Instrumente gelegen haben mag. Heute ist das längst anders, aber noch immer sind Oboisten sehr gefragt. „Ich bin gut ausgelastet“, sagt Birgit Zemlicka-Holthaus.

Potsdam ist für sie der Ort, an dem sie beruflich angekommen ist. Davor lagen ein paar Umwege, ein Lehramtsstudium und eine Weiterbildung in Psychotherapie und Supervision. Diese Arbeit macht sie immer noch gerne, vor allem Musiker gehören zu ihren Klienten. „Ich kann mich gut in sie hineinfühlen“, sagt Birgit Zemlicka-Holthaus.

Einfühlsam ist auch der Klang der Oboe, geradlinig, warm und klar. Die Barockkomponisten schrieben gerne Konzerte für Oboe und Prokofjew wählte sie als Stimme der Ente in „Peter und der Wolf“, ließ das glücklose Tier damit klangvoll-unschuldig vor sich hin singen.

Die meisten klassischen Oboen werden aus Grenadilholz gebaut. Das Holz aus Südafrika ist besonders hart und soll die immense Spannung – außen Wetter, innen hohe Luftfeuchtigkeit und hoher Druck – aushalten. Große Temperaturunterschiede sind für die Oboe tabu. „Sonst reißt das Holz“, sagt Birgit Zemlicka-Holthaus, es wäre der Super-GAU. Die hochakkurate Mechanik, Klappen und Blöcke, ist aus versilbertem Metall hergestellt.

Ganz besonders ist das Mundstück aus Schilfrohr und einer Kork-Hülse. Jeder Oboist baut seine eigenen, die genau zu seiner Anatomie und Spielweise passen. „Das Bauen ist eine Philosophie für sich“, sagt Zemlicka-Holthaus, und es braucht durchaus handwerkliches Geschick. Mehrere Stunden pro Woche verbringt sie damit. Die empfindlichen Teilchen werden in einer Rohrschachtel – „Das Heiligtum jedes Oboisten“ – aufbewahrt, in einem zweiten Kästchen das Werkzeug. Beides hat sie immer griffbereit. Die Oboe reist mit Gepäck.

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