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Kultur: Voller Lebenslust

Theater Metronom gastierte mit „Oskar oder die Dame in Rosa“ im T-Werk

Zehn Jahre sind eine kurze Zeit. Vor allem, wenn man gerade genau so alt ist und bald sterben muss. Der Protagonist aus Eric-Emmanuel Schmitts Buch „Oskar oder die Dame in Rosa“ weiß, dass er nur noch wenige Tage zu leben hat.

Doch die Ärzte und seine Eltern vermeiden es, mit ihm über den bevorstehenden Tod zu sprechen. Oskar ist wütend und traurig zugleich und kann nur einem Menschen seinen Kummer anvertrauen: Einer alten Dame, die jeden Tag schwerkranke Kinder im Krankenhaus besucht. Mit ihr gemeinsam entwickelt er eine fantasievolle Strategie und ungeahnte Kräfte, um seine letzten Tage voller Lebenslust zu genießen. Mit einer sehr berührenden Inszenierung des französischen Romans gastierte das Theater Metronom aus Visselhövede, Lüneburger Heide, zum 9. Theatertreffen „Spurensuche“ im T-Werk. Nur eine Schauspielerin (Karin Schroeder) verkörpert sämtliche Figuren: Sie ist sowohl Oma Rosa als auch der krebskranke Oskar, sie gibt seinen Eltern und den Ärzten eine Stimme und schafft es hervorragend, sich in die anderen kindlichen Patienten hineinzuversetzen. Zu Beginn betritt sie im rosa Kittel, mit Brille und Perücke die nahezu leere Bühne. Und das leere Krankenbett in deren Mitte sagt eigentlich alles: Oskar ist tot. Doch schon nach wenigen Augenblicken wird klar: Oma Rosa lässt ihn jetzt auf der Bühne wieder „auferstehen“.

Und obwohl die Schauspielerin vom eigenen Alter her eher die reife Dame darstellen könnte, gelingt es ihr großartig, in die Rolle des 10-Jährigen zu schlüpfen. Es macht ihr einen Riesenspaß, sich in seine Gedanken und Gefühle hinein zu versetzen und die Dialoge mit Popcorn oder Betty Blue, der Chinesin oder Sandrine zeugen von Spielwitz und bewundernswerter Leichtig- und Schlagfertigkeit. Karin Schroeder musste, nachdem sie Schmitts Buch gelesen hatte, „diese Geschichte unbedingt erzählen“. Das sagen sie und Regisseur Andreas Goehrt im Gespräch mit Jugendlichen, aber sie wollten den „missionarischen Touch“ der literarischen Vorlage und „falsche“ Rührseligkeit vermeiden. Konsequent stellten sie deshalb Oskars Tod an den Anfang ihrer Adaption und erzählen, was der Junge erlebt, nachdem er sich mit Rosas Hilfe dazu entschlossen hat, jeden Tag so intensiv wie zehn Jahre und in Zwiesprache mit Gott zu leben. Im „Schnelldurchlauf“ erfährt Oskar dabei die Sehnsüchte und Probleme der Pubertät, der Lebensmitte und des Alters schafft es auf diese Weise, sein eigenes vergehendes Leben langsam loszulassen. Für den Zuschauer wird das umso schmerzvoller, nachdem er den witzigen, ängstlichen, frechen, bockigen, zärtlichen und wissbegierigen Jungen erleben durfte. Am Ende, das ist ein starkes Bild, liegt er als schwacher, kahlköpfiger „Greis“ auf dem Bett und wartet gelassen auf seine Erlösung.

Als „modernes Märchen für Erwachsene“ haben Schauspielerin und Regisseur Schmitts Buch gelesen. Als immer mehr Jugendliche von sich in den Vorstellungen waren, haben sie auch Schulklassen dazu eingeladen. Die jungen erwachsenen Zuschauer im T-Werk zeigten sich von der Geschichte und ihrer wunderbaren Interpretin angetan und applaudierten minutenlang. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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