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Jens Heller ist mit "young falcon" ist bei der Ausstellung "kein thema 5" im KunstHaus Potsdam dabei.

© KunstHaus

Virtuelle Sammelausstellung im KunstHaus Potsdam: „So langsam wachen wir wieder auf“

Am 24. Januar eröffnet das KunstHaus Potsdam mit „Kein Thema 5“ eine aufwendige Ausstellung virtuell. Nur so werden die Künstler sichtbar, sagt Vereinsvorsitzende Birgit Möckel. Und fordert mehr Differenzierungen im Lockdown.

Potsdam - Es ist eine Nachricht wie aus einer anderen Zeit: Am Sonntag ist in Potsdam eine Ausstellungseröffnung zu besuchen, mitten in der Pandemie. Erst wird es Reden geben, dann Kunst. 49 zeitgenössische Positionen aus Berlin und Brandenburg, zum 5. Mal von einer Expertenjury des KunstHauses Potsdam versammelt unter dem schönen Thema „kein Thema“.

Aber natürlich ruft der Kunstverein nicht zum Regelverstoß auf. Auch bei der Vernissage von „kein Thema 5“ geht alles mit rechten Dingen zu: Sie bleibt virtuell. Die Eröffnungsreden von Vorstandsmitglied Jens Milde und der Kunsthistorikerin Rahel Schrohe sind ab 15.30 Uhr auf der Vereinswebseite www.kvkhpotsdam.de zu sehen und bleiben dort 48 Stunden lang verfügbar. 

Die Werke sollen filmisch und fotografisch abgebildet werden

Auch filmische und fotografische Dokumentationen sind geplant, über die man die Schau online besuchen und einzelne Werke genauer unter die Lupe nehmen kann, verspricht die Vorstandsvorsitzende Birgit Möckel. Und wer sich vorher anmeldet, kann die Ausstellung nach jetzigem Stand sogar besuchen. Einzeln.

Wenn „kein Thema 5“ am Sonntag eröffnet, ist das der dritte Anlauf. Ursprünglich sollte die Schau zweigeteilt stattfinden. Dann kam Corona, und Corona blieb. Man setzte einen zweiten Termin für Januar an und wieder ab, denn Corona blieb immer noch. 

Vielseitig und aufwendig: Der Kunstverein KunstHaus hat für "Kein Thema 5" Positionen von 49 Künstlern versammelt.
Vielseitig und aufwendig: Der Kunstverein KunstHaus hat für "Kein Thema 5" Positionen von 49 Künstlern versammelt.

© Ottmar Winter PNN

Die kürzeste Ausstellung der Vereinsgeschichte

Zwischendurch machte Birgit Möckel die Erfahrung der wohl kürzesten Ausstellungsdauer der Vereinsgeschichte: Die Schau „biegen und falten“ eröffnete am 1. November. Am 2. setzte der zweite Lockdown ein, und „biegen und falten“ schloss wieder. So schnell, dass es nicht einmal eine Berichterstattung gab.

„Manche halten uns schon für verrückt“, sagt Birgit Möckel angesichts ihrer wagemutigen Vorhaben. „Aber Künstler wollen gesehen werden. Davon leben sie.“ Daher auch die Entscheidung, „kein Thema“ stattfinden zu lassen. Obwohl die Gefahr besteht, dass auch diese Schau keinen annähernd regulären Publikumsverkehr erleben wird: Sie hängt nur bis zum 28. Februar, danach ist ein Folgeprojekt geplant. 

Löchrig. Ute Hoffritz zeigt "Das letzte Hemd" bei der Ausstellung "Kein Thema 5" im KunstHaus Potsdam.
Löchrig. Ute Hoffritz zeigt "Das letzte Hemd" bei der Ausstellung "Kein Thema 5" im KunstHaus Potsdam.

© KunstHaus Potsdam

Ein Trostpflaster, und viel mehr als das

Auch der Aufwand ist groß: Künstler bewerben sich, dann nimmt eine zwölfköpfige Jury Kontakt mit jedem Einzelnen auf. Macht Atelierbesuche, lässt sich Abbildungen von Werken schicken. Eine digitale Schau ohne Gespräche, ohne Möglichkeit zum Austausch, könne ohnehin nur „ein Trostpflaster“ sein, so Möckel. 

Dennoch: „Für viele ist es einfach die einzige Möglichkeit, auszustellen.“ Das hilft dem Selbstwertgefühl, der Außenwahrnehmung, dem Lebenslauf. Wer sich um Stipendien oder ähnliche Unterstützung bewerben will, muss Schauen vorweisen können. Und selten war Unterstützung für die Künstler so wichtig wie jetzt.

Die Teltower Künstlerin Frauke Schmidt-Theilig zeigt "komm zu dir statt mich so zu entfernen..." in Anlehnung an Thomas Brasch.
Die Teltower Künstlerin Frauke Schmidt-Theilig zeigt "komm zu dir statt mich so zu entfernen..." in Anlehnung an Thomas Brasch.

© KunstHaus Potsdam

Der Unterschied zum ersten Lockdown: Alles wie unter Mehltau

„Es ist jetzt langsam richtig schlimm“, sagt Birgit Möckel auf die Frage, wie die Künstler die Krise bewältigen. Im ersten Lockdown hatten viele noch das Gefühl: Jetzt komme ich endlich mal zum Arbeiten. Inzwischen aber herrscht vor allem Frust, sagt Möckel. „Der Austausch fehlt. Den muss man wieder zulassen.“ Es ist, als habe sich ein Mehltau über alles gelegt. 

Sie fordert daher: „Man muss bei Corona- Maßnahmen langsam mal differenzieren.“ Klar, dass niemand volle Kinosäle dulden könne. Aber Ausstellungen mit ein bis zwei Besuchern? „Dass da nicht unterschieden wird, frustriert mich wirklich.“ 

Monika Funke Sterns Schwarzweißfotografie "Die Welle" von 2016, zu sehen im KunstHaus Potsdam in "Kein Thema 5".
Monika Funke Sterns Schwarzweißfotografie "Die Welle" von 2016, zu sehen im KunstHaus Potsdam in "Kein Thema 5".

© KunstHaus

Kunstvereine als "Turnhallen des Sehens"

Aber Birgit Möckel nimmt eine Bewegung in der Szene wahr. „So langsam stellen wir uns auf die Hinterbeine.“ Möckel berichtet von einer Pressemitteilung, die die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine im November verschickte. Darin wird auf die lange Traditionslinie der Kunstvereine als „Turnhallen des Denkens und Sehens“ verwiesen, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. 

Dieses Kulturgut, allein durch Ehrenamtler am Leben erhalten, sei nun in Gefahr. Die Mitteilung formuliert die Forderung, dass Kommunen mit Vereinen Einzelfallprüfungen vornehmen sollten, „statt pauschal zu schließen“. Dieser Vorstoß macht Hoffnung, sagt Birgit Möckel. „So langsam wachen wir wieder auf.“

Birgit Möckel ist die Vorsitzende des Kunstvereins KunstHaus Potsdam.
Birgit Möckel ist die Vorsitzende des Kunstvereins KunstHaus Potsdam.

© PNN / Ottmar Winter

Wie Corona den Blick auf die Welt ändert

„Kein Thema“ heißt so, weil möglichst ergebnisoffen nach den sehenswertesten Werken gesucht werden soll, sagt sie. Die Themen, die sie bei ihren sieben Atelierbesuchen selbst aufgetan hat, waren auch im Corona-Jahr so vielfältig wie immer, sagt sie. „Die Künstler scheinen ihre Themen weiterzuverfolgen, wenn auch vielleicht in einer anderen Tonlage. Corona verändert unseren Blick auf die Welt.“

Das gilt auch für sie, die Kuratorin. Teilweise ist sie gar nicht sicher, ob die Bezüge, die sie selbst sieht, vom Künstler auch so gemeint waren. Die düstere, bedrohlich wirkende „Welle“ der Falkenseer Medienkünstlerin Monika Funke Stern etwa. Möckel assoziierte sie sofort mit der Pandemie, die alles überrollt – in Wellen. Tatsächlich aber handelt es sich bei der Schwarzweißfotografie von 2017 um etwas ganz anderes: ein Bananenblatt. 

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