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Maik Fielitz (32) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. Er promoviert zu Rechtsextremismusin Griechenland.

© promo

„Viele Menschen erzeugen Fake News“: Veranstaltungsreihe #reclaimthetruth gestartet

Start der Reihe #reclaimthetruth in Potsdam: Maik Fielitz spricht über Manipulationspraktiken von rechts.

Von Helena Davenport

Herr Fielitz, kann man als Einzelner etwas gegen Fake News tun?
 

Man kann etwas gegen sie machen, indem man sie widerlegt. Die Frage ist aber, wen das erreicht. Und da ist schon das Problem: Sobald einmal eine Nachricht in der Welt ist, ist sie schwer wieder einzuholen, gerade im Kontext der digitalisierten Gesellschaft. Oft ist es eine politische Strategie, Fake News zu verbreiten. Weswegen man teilweise sogar diejenigen befeuert, die die Fake News verbreiten, indem man versucht, sie zu widerlegen. Weil sie dadurch algorithmisch aufgewertet werden und dann eine noch größere Reichweite haben.

In welcher Form tauchen die Fake News auf?

Fake News sind eigentlich Falschmeldungen. Meistens haben Fake News aber einen wahren Kern, jedoch werden gewisse Elemente so stark betont, dass sie in ein gewisses Narrativ fallen. Und das ist das Gefährliche an der ganzen Sache. Generell erzeugen viele Menschen Fake News, gewollt und auch ungewollt – aber oft steht ein politischer Wille dahinter mit teilweise unwahren Facetten von Nachrichten, um eine politische Agenda zu pushen. Der politische Manipulationswille ist also das größere Problem. Hier sind Fake News ein Ausdruck, kombiniert mit wahren Nachrichten, die einfach nur eine narrative Prägung haben, die einer gewissen politischen Richtung angehören.

Wie können sich Medien da abgrenzen?

Medien tun ihr Bestes darin, wenn sie selbst faktenbasiert arbeiten. Wenn sie sich nicht von Falschmeldungen aktivieren lassen. Das heißt auch, dass man sehr sensibel dafür sein muss, welche Nachrichten gerade aus einer alternativen Medienecke, insbesondere aus einer rechten Medienecke kommen. Teilweise muss man sehr stark abwägen, ob es etwas nützt, die Nachrichten zu widerlegen, oder ob man dadurch eine Bühne bereitet und die Nachrichten weiterverbreitet. Und bei gewissen Nachrichten, die einen Gefährdungswert haben, gerade für stigmatisierte Gruppen, sollte man frühzeitig genug den Inhalt widerlegen, ohne die Produzenten der Falschmeldung prominent zu machen. Es ist natürlich generell ein sehr schmaler Grat. Die Lust auf Provokation von rechts ist darauf spezialisiert, dass möglichst viele Menschen aktiviert werden. Ob nun im positiven oder negativen Sinne, spielt überhaupt keine Rolle. Die Hauptsache ist da, dass die Themen gesetzt werden, unter anderem eben über Fake News. Das ist das Ziel dieser manipulativen Techniken, die gerade in der rechten Ecke genutzt werden.

Gibt es eine Anleitung dafür, wie man sicheres Wissen erkennt?

Es gibt Punkte zum Fakt-Checking – zum Beispiel von der Gruppe Correctiv. Die hat ein Fünf-Punkte-Programm entwickelt zu der Frage, wie man Fake News erkennt. Oft ist aber ja nicht das Problem, dass es sich um Fake News an sich handelt, sondern es können wahre Nachrichten sein, die in einen anderen interpretativen Rahmen gelegt werden. Genau darauf werde ich auch in meinem Vortrag eingehen. Ich spreche über die Verstrickung von strategischen Aspekten, über Fake News, die bewusste narrative Strukturierung von Nachrichten aus der rechten Ecke, und den Anspruch, eine rechte Gegenöffentlichkeit zu bilden zum politischen Mainstream und medialen Mainstream.

Sie arbeiten auch für das Projekt „Pandora“ an der Universität Hamburg. Was genau verbirgt sich hinter diesem Namen?

Das ist eigentlich ein Akronym: Hinter dem Namen „Pandora“ steckt der lange Titel „Propaganda, Mobilisierung und Radikalisierung zu Gewalt in der virtuellen und realen Welt“. Es geht uns um die Rolle der Sozialen Medien in Radikalisierungsprozessen. Es gibt fünf Projektpartner und wir in Hamburg untersuchen die Rolle von Narrativen, wie sich also Menschen rechtsextremen oder islamistischen Kreisen über Soziale Medien anschließen und damit Gewalt wahrscheinlicher machen.

Können Sie ein Narrativ als Beispiel nennen?

Sehr beliebt im rechtsextremen Bereich ist das Narrativ der Bedrohung. Die Ausgestaltung ist verschieden, der Nenner ist jedoch immer der: Man sagt, dass die Nation von äußeren und inneren Feinden bedroht ist, dass also die nationale Identität gefährdet ist durch beispielsweise Migration. Letztere wird in radikalen Kreise als Bevölkerungsaustausch oder Volkstod begriffen. Man erzählt, dass die eigene Gruppe ausgelöscht wird, sodass man sich selbst als Beschützer einer Gruppe, des Volkes oder auch gerade von Frauen und Kindern darstellt und jegliches gewalttätiges Handeln als Notwehr erscheinen lässt. Das ist ein Narrativ, welches breitere Narrative, die in der Bevölkerung vorhanden sind, radikalisiert, und versucht, das Denken nach rechts zu rücken. Hierfür werden Soziale Medien als zentrales Medium der politischen Einflussnahme genutzt – mit ihren Darstellungsformen und durch die Möglichkeiten, wie man sich dort inszenieren kann. Schließlich kann man dort auch modern auftreten und popkulturelle Elemente einweben.

#reclaimthetruth

„Die Welt durch rechte Augen sehen“ ist der Titel eines Vortrags zu visuellen Manipulationspraktiken der extremen Rechten von Maik Fielitz. Mit dem Vortrag am 21. November an der Universität Potsdam, Am Neuen Palais 10, Haus 9, 1.OG, Raum 114, startete die neue Reihe #reclaimthetruth der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ und des Erich Pommer Instituts über Digitale Desinformation und Audiovisuelle Aufklärung in Sozialen Medien. Weitere Veranstaltungen am 11. Dezember und am 15. Januar 2020.

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