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Kultur: Verschmelzung

Moritz Führmann begeisterte mit Fontane-Gedichten zu Musikimprovisationen

Theodor Fontanes verschmitztes kleines „Frühlingslied“ hatten die Drei nicht im Gepäck. Dafür eine Menge schaurig Schönes aus des Dichters Romanzen-Zyklus „Maria Stuart“ oder Katastrophenballaden wie „Die Brück’ am Tay“ und „John Maynard“. Und doch war die vormittägliche Sonntagslesung im Hans Otto Theater, die der Schauspieler Moritz Führmann und die Musiker Janni Struzyk und Friedemann Werzlau gemeinsam bestritten, alles andere als schwermütig oder gar übellaunig machend.

Ganz im Gegenteil. Das gut eingespielte und agile Trio tat alles, um die Zuhörer in die anfangs oftmals dramatisch „dunklen“ Stimmungen der Balladendichtungen mitzunehmen und dabei doch mit Esprit und Witz zu unterhalten. Dazu trug einerseits die geschickte Dramaturgie der Lesung – Hans-Jochen Röhrig und Petra Kuhnau vom Theodor-Fontane-Archiv besorgten die Textauswahl – als auch die manchmal ungewöhnliche aber immer gekonnte musikalische Untermalung des Programms bei. Schon der flotte Auftakt, nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit Flöte, Schlagwerk und Tuba stimmte die Zuhörer darauf ein. Mehr als zwei Dutzend Instrumente beziehungsweise Dinge, denen man Laute entlocken konnte, kamen danach zum Einsatz, nicht nur um Stimmungen zu verstärken oder zu untermalen.

So illustrierten vertrocknete Palmwedel den Lauf der Zeit, Kokosnussschalen Hufgetrappel oder mit einem Geigenbogen, der über Styropor gezogen wurde, gelang es, ein schreckliches Zugunglück erlebbar zu machen. Ja, selbst ein echter Eselskiefer, eine türkische Trompete oder vier Balinesengongs kamen zum Einsatz. Doch dessen nicht genug. Es gab auch keine klare „Gewaltenteilung“ zwischen dem Schauspieler und den Musikern. Denn Moritz Führmann, der als Sprecher anfangs eine Idee zu lautstark-dramatisch agierte und über weite Strecken leider sehr „am Blatt klebte“, griff nicht nur zur Tuba, sondern Struzyk und Werzlau traten mit ihm in „Die Brück’ am Tay“ oder „John Maynard“ wirkungsvoll in den Trialog. Friedemann Werzlau war dabei sehr auf Präsenz bedacht, Janni Struzyk an Stellen etwas zu verhalten. Amüsant und überraschend war ihr beider ungewöhnlicher Einsatz allemal.

So richtig in seinem Element war Führmann dann bei der ironischen Schilderung des unerquicklichen weihnachtlichen Zwischenhalts eines gewissen Hubert und nicht zuletzt bei den doppelbödigen oft aktuell-politischen Anspielungen des „Preußischen Volksliedes“ oder zeitlosen Versen wie „Arm oder Reich“. Nach einer guten Stunde endete die überzeugende lyrisch-musikalische Synthese, die fast durch die ganze Welt führte, dann mit einer Reminiszenz an Sanssouci und den Alten Fritz.

Und der ganze Vormittag mit stürmischem Beifall und Bravorufen des zumeist lebens- und leseerfahrenen Publikums. Der mit seiner besonderen Verschmelzung zweier Künste durchaus dazu angetan wäre, gerade junge Zuhörer für die Welt der Dichtkunst zu begeistern. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-TrögerD

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