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Kultur: Vernichtung mittels Psychologie Burkhard Willimsky sprach in der „arche“

Schon die Wortwahl der Staatssicherheit, „Operative Zersetzung“ für Maßnahmen gegen Gruppen und Einzelpersonen, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Aber wenn zwanzig Jahre nach der Wende immer noch beziehungsweise schon wieder ein Kenntnis- und Bewusstseinsdefizit über die Stasi und ihre Machenschaften hierzulande herrsche, wie Burkhard Willimsky am Dienstagabend in der „arche“ erklärte, dann sei es kein Wunder, dass ehemalige Mitarbeiter des MfS in Brandenburg Schlüsselpositionen besetzen und von Versöhnung gesprochen wird.

Schon die Wortwahl der Staatssicherheit, „Operative Zersetzung“ für Maßnahmen gegen Gruppen und Einzelpersonen, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Aber wenn zwanzig Jahre nach der Wende immer noch beziehungsweise schon wieder ein Kenntnis- und Bewusstseinsdefizit über die Stasi und ihre Machenschaften hierzulande herrsche, wie Burkhard Willimsky am Dienstagabend in der „arche“ erklärte, dann sei es kein Wunder, dass ehemalige Mitarbeiter des MfS in Brandenburg Schlüsselpositionen besetzen und von Versöhnung gesprochen wird.

Der Pädagoge und ehemalige Stadtrat für Schule und Kultur von Berlin-Reinickendorf, Burkhard M. Willimsky, wusste hingegen sehr genau, wovon er redet, denn er wurde in den 80er Jahren selbst durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtet und durch eine sogenannte „Operative Personenkontrolle“ (OPK) erfasst. Willimsky referierte in der vollbesetzten „arche“ ausgiebig über die Diktatur der SED, die ihre Alleinherrschaft durch das MfS sichern ließ. Dabei kam die enge Verzahnung von Partei und MfS immer wieder zur Sprache, wie auch die systematische Zerstörung des Bürgertums in der DDR. Dass der offene Terror – unter anderem durch Zwangskollektivierung und Verhaftungen – ab Mitte der 70er Jahre durch „verdeckte Zersetzungen“ abgelöst wurde, war nicht humanitären Erwägungen, sondern dem Entspannungsprozess und der wirtschaftlichen Not der DDR – Stichwort westliche Kredite – geschuldet.

Die „verfeinerten“ Richtlinien von 1976 zur Bearbeitung „Operativer Vorgänge“ sprechen da eine deutliche Sprache. Ihr Ziel war die Vernichtung „feindlich-negativer Kräfte“ mithilfe subtiler psychologischer Eingriffe – wie beispielsweise Zerstörung von Liebesbeziehungen, falsche ärztliche Gutachten oder Unterstellung von MfS-Kontakten. An der Juristischen Hochschule Potsdam war „Operative Psychologie“ nicht nur Studienfach, sondern auch Forschungsbereich. Und der Missbrauch psychologischer Methoden hatte bei vielen Opfern neben Suiziden nicht nur posttraumatische Belastungsstörungen zur Folge, sondern sei auch ein Angriff auf die Seele aller Menschen hierzulande gewesen.

Willimsky entlarvte in seinem Vortrag auch immer wieder die gängigen Rechtfertigungsversuche ehemaliger Mitarbeiter des MfS, die, nicht nur in Brandenburg wieder in Regierungsverantwortung gekommen, nichts anderes zu tun hätten, als „nach vorn zu gucken“ und gegen das Etikett „Unrechtsstaat“ DDR anzureden. Indem sie darauf insistieren, den hier lebenden Menschen nicht die Biografie mit solchen verabsolutierenden Zuschreibungen zu zerstören. Wie unsinnig es ist, nicht nur in diesem Zusammenhang, von einer „DDR-Biografie“ – schließlich gab es Täter, Opfer und/oder Mitläufer – zu sprechen, kam in seiner kenntnisreichen Analyse mehr als einmal zum Ausdruck.

Auch in der Diskussion wurde überdeutlich, dass die von Ministerpräsident Platzeck angestrebte Versöhnung weder „von oben“ verfügt werden kann noch in Kürze auf der Tagesordnung steht. Dazu brauche es, so neben wirklichen Schuldeingeständnissen auch die Bereitschaft der Täter, sich mit ihren Opfern an einen Tisch zu setzen. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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