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Engagiert. Der Ehrenvorsitzende des Deutschen Künstlerbundes sorgt sich um in Not geratene Kollegen.

© Martin Müller

Verdienstorden für Potsdamer Künstler: Zweiter Vorname: Geduld

Der Potsdamer Künstler Frank Michael Zeidler malt, vermittelt, hilft. Dafür bekommt er den Verdienstorden der Bundesrepublik.

Vor dem Gang ins Schloss Bellevue ist ihm nicht bange. Er kennt ihn seit 16 Jahren vom Neujahrempfang beim Bundespräsidenten. Als Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes – inzwischen ehrenhalber – ist er Auftritte gewöhnt. Allerdings begibt sich Frank Michael Zeidler nicht ins Rampenlicht, um selbst darin zu strahlen. Der 66-Jährige sucht die Öffentlichkeit, um sich für die Belange seiner Kollegen stark zu machen: für Künstler in Not.

Retter zwischen Leben und Tod 

Dieses Miteinander prägt den gebürtigen Leipziger seit Kindheit an. Es formte ihn in der harten Schule des Lebens. Mit Anfang 20 wurde er Rettungssanitäter, um sich sein Studium der Philosophie und Germanistik finanzieren zu können. Oft flog er mit dem Hubschrauber zu Einsätzen, sah Menschen sterben: bei Zugunglücken, Verkehrsunfällen, Selbstmorden. Und ebenso oft war er bei Geburten dabei. Kommen und Gehen. In diese beiden extremen Gefühlssituationen warf ihn das Leben immer wieder hinein. Zeidler hob nie ab in die Welt des Abstrakten, der Philosophie, die Erdung kam immer wieder mit Wucht. Seine Bilder sind geprägt von dieser Gemengelage. Leben und Kunst durchdringen einander. Wortlos. Grenzenlos offen. 

Maler in Schwarz-Weiß

Die wandeinnehmenden Bleistiftzeichnungen in seinem Atelier am Ulanenweg saugen den Betrachter wie ein Strudel hinein, in das Labyrinth von Licht und Schatten, reduziert auf das Wesentliche, um möglichst weit hinauszutreiben. Erstaunlich, dass Zeidler überhaupt Zeit findet, sich immer wieder auch als Künstler auf den Weg zu machen, um das eigene Dickicht aufzubrechen. 20 Jahre malte er nur schwarz-weiß, weil ihn Tschernobyl nicht losließ. Seit 2000 ist wieder Farbe in sein Leben und in die Kunst getreten: Die Liebe hat sie mit reingemalt.

Vermittler im Kunstgetriebe

Das achtsame Miteinander gaben ihm die religiösen Eltern mit auf den Weg. Für den Jungen war es selbstverständlich, dass er alten Leuten Weihnachtsgebäck brachte. „Bis heute bin ich ein echter Protestant.“ Und mit dieser religiös untersetzten Haltung brachte er es schließlich in die Position des Vorsitzenden des Deutschen Künstlerbundes, um die man sich nicht bewirbt, sondern hineingewählt wird. Wenn man, wie Zeidler es kann, vermittelt. Schon oft fungierte er in Konflikten als Mediator. „So ein Verein ist wie ein Sack Flöhe hüten. Da muss man moderieren, um Dinge zusammenzubringen.“ Er hat das Zeug dazu. „Die Leute sagen immer: ,Dein zweiter Vorname ist Geduld.’“ Diese Geduld war auch vonnöten, bis die Familie wieder zusammenfand. Als Zeidler zwei Jahre alt war, zog er mit den Eltern von Leipzig nach Süddeutschland: weg von Großeltern, Tanten, Onkels. „Wegen der Arbeit waren meine Eltern froh, im Westen zu sein, aber sie waren unglücklich, dass die Angehörigen so weit weg waren. Das habe ich als Kind emotional und auch intellektuell mitgekriegt. So oft wir konnten, reisten wir in den Osten.“

Als die Mauer fiel, ging auch für ihn ein Traum in Erfüllung. „Aber am 9. November hatte ich Angst, auf die Straße zu gehen. Die Situation war unberechenbar. Wir hatten ja Prag erlebt, 1968, als die Panzer rollten.“ Schnell wich die Angst der Freude. 20 Jahre arbeitete er in seinem Gemeinschaftsatelier in Kreuzberg. Bis allen gekündigt wurde.

Erbauer am Ulanenweg

Glück für Potsdam. Denn Zeidler und sein Freund Hubertus von der Goltz nahmen sich nun einer Ruine an: des Pferdelazaretts in der Garde Ulanenkaserne. Auch hier war Geduld vonnöten. Denn die erhofften Kredite blieben anfangs aus, weil die Banker meinten, es sei ein Gebiet, das sich nicht entwickeln lasse. Heute gehört es mit zu Potsdams teuerstem Pflaster. Die beiden Künstler packten an: tags im Bauschutt, nachts an der Staffelei, um Geld fürs Bauen zu verdienen. Heute beherbergt das Haus sechs Ateliers und ist Sitz des Kunstvereins, den Zeidler und von der Goltz 2002 gründeten, nun der mitgliederstärkste in Potsdam, mit renommierten Ausstellungen. 16-Stunden-Tage waren damals die Regel. Und auch heute ist kaum Zeit zum Luftholen. Am langen mit Äpfeln und Kastanien dekorierten Holztisch in der Wohnküche erzählt Zeidler von seinen zwei neuen Ausstellungen, die er gerade aufbaut, von Bühnenbildern für Opern, einem 3-D-Film für die Inszenierung „Vom Fliegen“, die 2020 am Berliner Schauspielhaus Premiere hat. Und natürlich von seiner Arbeit in der VG Bild-Kunst, wo es immer wieder neue Fälle von Armut zu beheben gibt.

Nachlass-Kümmerer

Seit neun Jahren ist er zudem auf Vortragsreise, um Kollegen für das Thema Nachlässe zu sensibilisieren. Auch durch sein Buch „Das verlorene Bild“. Doch Zeidler weiß, dass mit dem Tod keiner etwas zu tun haben will. „Es geht ums Entscheiden: Was kann weg, was soll bewahrt werden? Das kann man nicht den Angehörigen überhelfen.“ Er selbst steht immer zwischen Weihnachten und Neujahr am Papierkorb. „Wegwerfen gehört zum Künstlersein dazu. Manchmal auch, um an die entsorgten Dinge neu anzuknüpfen.“ Sagt der Philosoph. 

Frank Michael Zeidler stellt aus: bis 11. November in der Galerie Parterre in Berlin Pankow, Danziger Straße 101, sowie bis 27. Januar 2019 im Märkischen Museum Witten, Husemannstraße 12

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