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Kultur: Van Goghs Mähdrescher

Menno Veldhuis nähert sich in seinen neuen Werken in der Galerie 21 seinem berühmten Landsmann

Von Sarah Kugler

Die Dreidimensionalität in Menno Veldhuis’ Bildern entwickelt sich langsam. Sie schält sich bei der Betrachtung nach und nach heraus. Je länger die Augen verweilen, desto mehr Strukturen schieben sich ihnen entgegen. Dabei wachsen knorrige Bäume in das Blickfeld, helle Wege klappen sich aus und kühle Seen entfalten sich in die Landschaft. Manchmal kippen sie auch, entziehen sich den gängigen Regeln der Perspektive, irritieren und ziehen den Betrachter in ihre Welt hinein. Denn die Collagen, die der 1974 in den Niederlanden geborene Künstler Menno Veldhuis noch bis zum 17. Oktober in der Galerie 21 unter dem Titel „LandStriche“ ausstellt, sind seltsam. Der Blick kann sich nur schwer von den Bildern abwenden, möchte verweilen in dieser Welt, die einiges mit den Werken eines berühmten Landsmannes und Malerkollegen von Veldhuis zu tun hat.

Dabei bestehen die kleinformatigen Kunstwerke, die verschiedene Baumlandschaften zeigen, streng genommen nur aus Abfall. Wie Veldhuis selbst sagt, hat er die Collagen aus lauter farbigen Papierresten, die bei anderen Malertätigkeiten übrig geblieben sind, gefertigt. Diese hat er auf Sperrholzplatten geklebt und daraus entstanden Landschaften, deren einzelne Teile sich erst in ihrer Zusammengehörigkeit erschließen. Er habe dabei mit den Fingern wie sonst mit dem Pinsel gearbeitet, sagt Veldhuis, der seit über zehn Jahren schon in Potsdam lebt. Wie so oft, habe er auch hier seine Leitfarben grün, blau und gelb verarbeitet, häufig schnell, wie in einem Rausch. Nur der letzte Schliff, der käme bei seinen Arbeiten immer aus dem Kopf. Das müsse so sein, sonst verliere er sich darin, sagt er.

So liegt den Bildern immer auch eine gewisse Ordnung zu Grunde. Alle Baumlinien fliehen an irgendeinem Punkt aus dem Bild und fügen sich in eine perspektivische Ordnung ein. Dort wo sie kippt, wo ein wenig Chaos einkehrt, dort ist der Rausch, das verwirrende Spiel mit den Sinnen, das sich durch Veldhuis’ Arbeiten wie ein roter Faden zieht.

Unter anderem in seiner Mähdrescherreihe. Die besteht aus sechs Bildern, in denen der Maler Vincent Van Gogh am Steuer von Mähdreschern sitzt – bei Veldhuis riesige, unheimliche Schreckensmaschinen, die in ihrer Gestalt das ganze Bild für sich einnehmen und Anachronismen schaffen. Denn zu Van Goghs Zeiten gab es die Erntemaschinen noch nicht, was Veldhuis aber wenig stört. Er nehme gerne Motive aus der Malerei auf und setze sie auf seine Art um, sagt er. Und so findet sich hier und da auch eine Andeutung an die berühmten Heuhaufen seines Landsmannes. Nur hingehaucht, aber dennoch zu erkennen. Auch in einigen Werken, die nicht in der Ausstellung zu sehen sind, hat er sich mit Van Gogh auseinandergesetzt, ihn in Portraits festgehalten oder sein Motiv der Raben neu aufgenommen. Veldhuis fühlt sich ihm verbunden. Er sei wie er ein Niederländer im Ausland und ringe mit Einsamkeit.

Diese Einsamkeit ist sofort zu spüren, so verloren sitzt die kleine Van Gogh in den riesigen Ungeheuerdreschern, die mit dicken schnellen Pinselstrichen in dunklen und zum Teil wilden Farbmischungen gemalt sind. Abstoßend wirken die, aber gleichzeitig so faszinierend, dass der Blick auch hier gerne verweilt, sich anziehen lässt von den Formen und Mustern, der rauhen Farboberfläche, die sich immer von der Person weg, irgendwo in die Ferne entwickelt. Diese Ferne bildet Veldhuis jedoch nicht ab, sodass seine Kunst wie ein Ausschnitt aus etwas Größerem wirkt, wie etwas, das noch nicht ganz fertig ist. Für den Künstler sind sie heute fast schon etwas zu dynamisch, er sucht derzeit die Ruhe in seinen Kunstwerken, die Landschaftscollagen seien ein erster Schritt dorthin.

In älteren Werken finden sich eher noch die expressiven Züge der Mähdrescherbilder. Etwa in dem Werk „Dächer“, einer explosiven Darstellung in Rot, grellem Orange und tiefschwarzen Pinselstrichen dazwischen. Die Dächer scheinen eher zu brennen, als in der Sonne zu leuchten und bauen eine bedrückende Atmosphäre auf. Nur oben rechts schimmert ein Streifen aus hellem Blau durch, worauf die Augen automatisch zusteuern, sich eine kurze Pause gönnen, durchatmen, um dann wieder zurückzukehren in den Bann der brennenden Farben. Denn tatsächlich finden sich die nicht oft in Veldhuis’ Ausstellung. Selbst die in sich verknotete und strudelnde Abbildung einer Cafészene ist fast vollständig in Blautönen gehalten. Seltsamerweise hat der Künstler dieses Bild, das sich in seinen Bewegungen fast wellenartig vor dem Betrachter auftürmt, in völliger Ruhe gemalt, wie er sagt. Das sei keine Seltenheit, einige aufgewühlte Bilder seien in einem Zustand vollkommener Ausgeglichenheit entstanden.

Nicht ganz so ausgeglichen steht er hingegen zwei Bildern gegenüber, für die er Lack- zusammen mit Ölfarben verwandt hat. Das sei nicht wirklich seine Sache gewesen und soll nicht wiederholt werden. Dabei sind die Ergebnisse überzeugend. Durch die unterschiedlichen Farbkonsistenzen entsteht ein fast schleierhafter Glanz, der sich wie nebel über das Bild legt und gleichermaßen eine dampfende Wiese, wie ein atmender See sein könnte. Gleich daneben hängen Darstellungen, die sich sowohl durch einen harten Horizont, als auch durch ihre Plastizität bemerkbar machen. Dicke Schichten aus Ölfarben bilden hier Muster, starke Wellen oder dicke Gräser im Wind. Einmal mehr leuchtet dem Betrachter hier eine rote Fläche entgegen, die sich in ihrer Bedeutung nur langsam erschließt. Damit schließt sich der Kreis. Wo das Auge eben noch Bäume erfasst hat, schält es nun weite Fernen heraus, saugt sich an neuen Dimensionen fest – für diese Ausstellung sollte Zeit mitgebracht werden.

„LandStriche“ sind noch bis zum 17. Oktober in der Galerie 21, Hermann-Elflein-Straße 21 zu sehen.

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