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Unter Kollegen. Kurt Tetzlaff (l.) mit Kameramann Gerhard Niendorf.

© Defa-Stiftung

Kultur: „Ungeschminktes war unerwünscht“

Dem Potsdamer Dokumentarfilmer zum 85. Geburtstag. Heute wird er im Filmmuseum geehrt

Er wurde schon oft gezeigt. Auch jetzt wieder, aus gegebenen Anlass. Kurt Tetzlaff wurde gestern 85 und deshalb läuft heute im Filmmuseum sein Dokumentarfilm „Die Garnisonkirche – Protokoll einer Zerstörung“ aus dem Jahre 1992. Das Oeuvre Kurt Tetzlaffs ist indes weitaus größer. Sich in dessen Schatztruhe hineinzubegeben, wäre für das Museum und sein Kino eine lohnenswerte Aufgabe und für die Zuschauer so manche Entdeckung wert.

Kurt Tetzlaff, der im pommerschen Tempelburg (heute Czaplinek in Polen) geboren wurde, musste sich kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges mit seiner Familie auf einen Flüchtlingstreck Richtung Westen begeben. Er kam bis nach Querfurt in Sachsen-Anhalt. Hier absolvierte er 1952 das Abitur. Einer seiner Lehrer war Fritz Gebhardt, der sich später als Autor und Regisseur im Defa-Studio für populärwissenschaftliche Filme einen Namen machte. Ihm folgte Tetzlaff nach Babelsberg und begann 1955 ein Regiestudium an der Hochschule für Filmkunst. Als er 1957 seinen Studentenfilm „Auf einem Bahnsteig“ vorlegte, wurde dieser von der Hochschulleitung abgelehnt. Anklänge an den italienischen Neorealismus á la Visconti oder Fellini, mit dem der junge Regisseur aufwartete, waren nicht gefragt. „Auf das Einfangen einer ungeschminkten Wirklichkeit der DDR wollte man sich nicht einlassen“, resümiert Tetzlaff in einem PNN-Gespräch. Doch auf einem Filmfestival in Wien erhielt er dafür den zweiten Preis.

„Vom DEFA-Spielfilm-Altmeister Kurt Maetzig erhielt ich Ende der fünfziger Jahre das Angebot, in seinem Team als Regieassistent und schließlich als Co-Regisseur mitzuarbeiten. Zwar hat mich der Spielfilm sehr interessiert, doch ich lehnte ab, da ich ,mein eigener Herr' in Regiefragen sein wollte“, erzählt Tetzlaff. 1974 drehte er schließlich einen Spielfilm: „Looping“. Er ist in einem DDR-Betrieb angesiedelt und führt zu jungen Menschen, die in mancherlei Problemen stecken. Hierbei konnte der Regisseur seine stilistischen Vorlieben zum Einsatz bringen: die Verbindung von Dokumentar- und Spielfilm. „Looping“ war kein großer Erfolg beschieden. „Man hätte sich gewünscht, von ihm einen weiteren Spielfilm zu sehen“, heißt es im Lexikon über Defa-Spielfilme. Doch „Looping“ blieb sein einziger. Das Dokumentarfilmstudio am Babelsberger Park blieb seine künstlerische Heimat. Mehr als 50 Filme entstanden dort von Tetzlaff. Auch er musste SED-Auftragswerke realisieren, so über Ernst Thälmann oder über die Vorbereitungen zu den X. Weltfestspielen 1973 in Berlin. „Mit großer Freude habe ich mich indes auf die Künstlerporträts geworfen. Die Recherchearbeit über Käthe Kollwitz, Bertolt Brecht und Erwin Geschonneck war spannend und erkenntnisreich.“

Die Dokumentarfilme über den Alltag in der DDR wurden von den Zensoren intensiv beäugt. Kurt Tetzlaff wollte die DDR nicht als Potemkinsches Dorf mit nur glücklichen Menschen zeigen, sondern ganz ungeschminkt. Doch sein Film „Es genügt nicht, Achtzehn zu sein“ (1964) über eine mit Kritik an den öden Arbeits- und Freizeitbedingungen nicht sparende Jugendbrigade, die in Mecklenburg nach Erdöl bohrt, wurde verboten. „Nach den Dreharbeiten von ,Erinnerung an eine Landschaft – Für Manuela’ haben die Zensoren sechs interne Vorführungen angesetzt, in denen ich immer wieder zu Überarbeitungen aufgefordert wurde. In der Langzeitdokumentation beobachtete und sprach ich mit Menschen, die im Braunkohlegebiet um Halle lebten und deren Dörfer zum Abriss freigegeben wurden. Da wurden natürlich auch deren Zukunftsängste angesprochen.“ Ja, er habe immer wieder verändert, aber so, dass er danach noch in den Spiegel schauen konnte, so Tetzlaff.

Im März 1989 begann der Regisseur mit den Dreharbeiten „Im Durchgang – Protokoll für das Gedächtnis!“ Er begleitete eine Potsdamer Schulklasse, die das Bühnenstück „Diktatur des Gewissens“ von Michael Schatrow, in dem es um sozialistisches Moral- und Demokratieverständnis geht, einstudierte. Aus dem Gruppenporträt entstand jedoch ein einzelnes. Der Pfarrerssohn Alexander Schulz stand plötzlich im Mittelpunkt. Seine Bekundungen stehen symptomatisch für eine bevormundete Generation, hoffnungsvoll und resignativ. In den beiden Filmen „Im Durchgang – Protokoll für das Gedächtnis“ sowie „Im Übergang – Protokoll einer Hoffnung“ übt er zum ersten Mal grundsätzlich Kritik am System in der DDR. Zugleich sind es die letzten ihrer Art, da das Land schon bald nicht mehr existierte.

Nach 1990 gab es dann keine ideologischen Zensoren mehr. Kurt Tetzlaff kann schließlich auch einen Film über die Garnisonkirche produzieren. Klaus Büstrin

Der Film „Die Garnisonkirche – Protokoll einer Zerstörung“ läuft heute 19 Uhr im Filmmuseum, Marstall/Breite Straße 1

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