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Kultur: Und die „Goldene Pulle“ wandert

Die „Liedermacher-Liga“ traf sich zum fünften Mal im „KuZe“ zum Thema „Kinderlieder“

An der Tradition scheiden sich die Geister. Manche nehmen sie auf und verlängern sie in die Gegenwart, andere sind strikt dagegen, sie wollen Eigenes, Anderes, Neues. Am Samstag fand im „KuZe“die inzwischen fünfte Auflage eines Sängerwettstreits statt, dessen Anzeigung schon aus diesem Grunde lohnt. Erfunden hatten ihn Philipp und Freddy, indem sie sich im Waschhaus einst vor aller Ohren verpflichteten, innerhalb eines Monats je einen Song zu einem vorgegebenen Thema zu schreiben. Bis zu zehn Jungbarden treffen sich nun in der „Liedermacher-Liga“ zum Sängerwettstreit, jeden Monat wieder. Dabei geht es noch hoch demokratisch zu. Eine dreiköpfige Jury wird vor Ort aus dem Publikum gewählt, als Gage gibt es ein Bier. Die Zuhörerschaft legt auch das Thema für das nächste Treffen vor. Einen festen Ablauf gibt es nicht, er wird von den Mitmachern erst durch Losentscheid auf der Bühne fixiert. Kein Song darf länger als sechs Minuten dauern, vor allem aber muss deutsch gesungen werden. Und wozu das alles? Aus Spaß an der Freude, die „Goldene Pulle“ als Wanderpokal ist ja rein symbolisch gemeint, Gold ist da nicht dran und drin. Das Konzept funktioniert bestens: Zum Thema „Kinderlieder“ am Samstag hatten elf Aspiranten zugesagt, das „KuZe“ krachend voll, vielleicht auch weil zwischen Wettbewerb und Siegerverkündung ein gestandenes Duo zum Konzert antrat: Pannebierhorst. Die Liedermacherszene von einst lebt also weiter, aus Tradition.

Das diesmalige Thema nun konnte von Kindern handeln, von Liedern, oder von Liedermachern, die Kinderlieder schreiben, das stand frei. Peter und Axel zum Beispiel sangen ein modernes Schlaflied mit Träumen, Riesenrad und Teddybär, Pipo und Radieschen hatten nicht nur rote Clownsnasen, sondern in ihrem kleinen grünen Koffer auch viel Gags und gute Laune. Texte hatten immer den Vorrang, musikalische Begleitung war aber zugelassen, meist gab eine zweite Gitarre den Rhythmus vor. Da könnte noch so manches moduliert und arrangiert werden. Nun, ausgerechnet Liga-Miterfinder Freddy hielt nichts von Tradition: Wer „Alle meine Entchen“ und „Hänschen Klein“ besang, den schickte er gar ans Kreuz, ans umgekehrte. Ein kraftvoller Auftritt! Antonio und Helfer sangen von einem Spinnelein, bei Kathis Lied vom Schwerbehinderten schmolz das Publikum nur so dahin, Thoralf fand hübsche Reime über verschnupfte Gorillas und Giraffen, Sohn Hugo (12) saß ja mit in der Jury, ob das half? Judith indes hatte zur Banjobegleitung ein Gebet an Gott über das Leben auf Erden vertont, Sebastian sang von sich und seiner noch ungeborenen Tochter, und ob er das Vatersein auch bewältigt; das ging unter die Haut. Desaster erlaubte sich ein Spottlied auf eine große Bank. Und im Gegensatz zu Freddy hielt es Tom mit der Tradition, freilich sehr modern. Wie er „Alle meine Entchen“ vor- und rückwärts rappte, war einfach nur allererste Liga.

Irgendwie ernst gemeint ist das alles, denn Ernstgemeint heißt ja auch jene Potsdamer Band, daraus die Idee der „Liedermacher-Liga“ entsprang. Ein lebendiger, ein fröhlicher Abend, agil und raffiniert. Man saß auf dem Boden, stand dicht an dicht, manchmal fiel ein Mikro aus, oder das Licht, doch die „Goldene Pulle“ musste dennoch wandern. Das Publikum wählte als nächstes Thema „Gartenarbeit“, den Sieg der Liga aber, die güldene Trophäe, trugen Pipo und Radieschen heim. Gerold Paul

Gerold Paul

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