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Der Maler und Bildhauer Mikos Meininger in der aktuellen Ausstellung im Künstlerhaus Sans Titre, in der 50 Künstler ihre Werke zeigen.

© Andreas Klaer

Kultur: Umbrüche

Inmitten von Geld und Luxus: Das Kunsthaus Sans Titre und die Suche nach einem neuen Geschäftsmodell

Wird die Lampe eingeschaltet, beginnt sich das goldene Blatt, das darüber hängt, in der aufsteigenden Hitze zu bewegen. In der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Sans Titre in der Französischen Straße in Potsdams Innenstadt geht es um Gold, Geld und Luxus. Mit ihrer Installation des bewegten Blattgoldes hat die Künstlerin Michele Sachs ein wunderschönes Bild für die Fragilität von Schönheit und Kostbarkeit gefunden. Auch andere der 50 Künstler finden zu Formen und Bildern, die sich zu einem Tableau von intelligenten Kommentaren zum Thema der Ausstellung verdichten. Goldglänzende Plattfische schlängeln sich unter einem Fenster durch den Raum, Lothar Böhme zeigt mit seiner recht expressiv geratenen Männerfigur, dass die Schlacht um Geld und Gold auch schon einmal blutig geraten kann. Rachel Kohns ineinander verschachtelte Häuser können möglicherweise als Hinweis darauf gewertet werden, dass auch der den Luxus liebende Mensch zunächst einmal eine sichere Behausung benötigt.

Die ausgestellten Kunstwerke regen zum Sinnieren über Ruhm und Geld, Luxus und wahre Werte an. Das Kunsthaus selbst denkt derzeit ganz handfest über derartige Dinge nach. Denn es geht um die eigenen Finanzen und das eigene Fortbestehen. Das Sans Titre befindet sich im Umbruch – und zwar in doppelter Hinsicht: Nachdem im Frühjahr der Mitgründer Chris Hinze das Kunsthaus verlassen hat, sucht Mikos Meininger nach neuen Mitstreitern. „Gegenwärtig geht es darum, den Laden am Laufen zu halten“, sagt Meininger. Denn der Trägerverein, der personell gegenwärtig eher schwach besetzt ist, zeichnet verantwortlich für die monatliche Miete, die an die Eigentümerin des Hauses, die Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956 eG (PWG), gezahlt wird. Lange sah es so aus, als könne jederzeit Schluss sein mit dem künstlerischen Treiben auf dem gefragten Grundstück in Potsdams Mitte. Der Mietvertrag gab eine kurze Dauer vor und konnte jederzeit gekündigt werden. „Daran hat sich bis jetzt noch nichts Grundsätzliches geändert. Aber die Zeichen zeigen anderes“, so Meininger.

Nachdem das Kunsthaus nun mehr als acht Jahre hinweg Künstler präsentiert, Ausstellungen organisiert und Veranstaltungen gestemmt hat, erkennen offenkundig auch die Stadt Potsdam und die Eigentümerin des Hauses, dass hier wertvolle Arbeit geleistet wird. Die Stadtverordnetenversammlung hat Anfang Mai einen Beschluss gefasst, das Haus zu unterstützen. Der Erhalt des Kunsthauses Sans Titre sei durch geeignete Festsetzungen zu sichern, heißt es in dem Beschluss auf Antrag der SPD. „Das Sans Titre ist mit seinem morbiden Charme eines der wenigen Überbleibsel einer baulichen Kultur“, sagt auch PWG-Vorstandssprecher Wolfgang Gay. Es habe einen gewissen Stellenwert in der Stadt „und den wollen wir auch erhalten“.

Der zweite Umbruch, den das Sans Titre erlebt, geschieht in unmittelbarer Nachbarschaft: Neubauten sollen hier entstehen, ein Hotel, Wohnungen und Einzelhandel sind geplant. Die Fläche vor dem Haus, zur Straße hin, soll bebaut, aber eine Verbindung zum Haus erhalten werden. Um überhaupt sichtbar zu bleiben, will sich das Sans Titre vergrößern, eine Galerie und neue Ateliers wünscht sich Mikos Meininger. „Wenn das wirtschaftlich zu gestalten ist, steht dem nichts im Wege“, sagt PWG-Sprecher Gay und legt damit den Finger in die Wunde: Wer soll das bezahlen? Kann das überhaupt der Mieter? Oder muss nicht auch die Stadt zahlen, wenn sie sich, bestimmt durch den Beschluss der Stadtverordneten, für den Erhalt eines Hauses stark machen will, und den Trumpf eines renommierten Kunsthauses in Potsdams Mitte ziehen will?

Wie genau die Pläne der verschiedenen Akteure aussehen, weiß Meininger noch nicht, aber es finden Gespräche statt, wie all die verschiedenen Interessen und Ausrichtungen aufeinander abgestimmt werden können. „Das wird ein ganz neues Geschäftsmodell geben und es muss noch viel Planung hinein gesteckt werden. Aber wenn es uns in 20 Jahren noch gibt, ist das ein echter Erfolg“, so Meininger.

Mit viel Herzblut hatten Meininger und Hinze in den vergangenen Jahren das Sans Titre aufgebaut. Meist wurde von morgens bis abends Kunst gehängt, geplant, organisiert. Aus dem im Winter bitterkalten, verwaisten Bau im Herzen Potsdams ist mittlerweile ein florierender Mittelpunkt der Potsdamer Kunstszene geworden. „Anders als in anderen Häusern sind unsere Räume vorwiegend für Gemeinschaftsprojekte geeignet“, bemerkt Meininger. Denn: Es gibt wenig abgeschlossene Räume, die sich als Einzelateliers eignen, aber viel Platz für Ausstellungen, Musik-Aktionen, Vorführungen und anderes. Daher ist nun auch ein Raum für eine Musikwerkstatt geschaffen worden. Musiker sind eingeladen, ihre Instrumente mitzubringen und in entspannter Atmosphäre ihre Klänge unter das kunstinteressierte Publikum zu bringen. Derartige Aktionen und Möglichkeiten für Künstler sollen auch künftig das Profil des Hauses prägen. Hinzukommen soll aber auch eine stärkere Konzentration auf die Möglichkeiten, die das Haus als Produzentengalerie für den Verkauf und die Präsentation eigener Bilder bietet, so Meininger.

Der Maler und Bildhauer Mikos Meininger ist sich darüber klar, dass die Zeit, die er in das Kunstprojekt Sans Titre steckt, ihm für seine eigene künstlerische Arbeit nicht zur Verfügung steht. „Wahrscheinlich käme ich schneller als Künstler voran, wenn ich mich ausschließlich auf Malerei und Bildhauerei konzentrieren würde“, sagt er. Aber sich aus dem Aufbau des Kunsthauses zurück ziehen, das möchte er nicht. Dazu liege ihm das Projekt doch zu sehr am Herzen. Chris Hinze, der Mitgründer des Hauses, hat für sich eine andere Entscheidung getroffen, er konzentriert sich ausschließlich auf seine Kunst und ist mit seiner Produktionsstätte ins Umland gezogen. Meininger dagegen versucht, weiterhin den Spagat zwischen Kunst und Organisation. Nicht zuletzt mit seiner wunderschönen, weit gespreizten Skulptur „Zwillingswoge“, die – natürlich – im Sans Titre zu sehen ist. (mit giw)

„Gold Geld Luxus Mensch“ mit Werken von mehr als 50 Künstlern ist bis zum 30. Juli im Kunsthaus Sans Titre, Französische Straße 18, zu sehen

Richard Rabensaat

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