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Kultur: Trolle und Elfen Neun Frauen bewiesen im T-Werk ihre Erzählkunst

Ein keltischer Waldgeist begrüßte die Besucher. Der grimmig dreinschauende Geselle leuchtete grün auf der Bühne des T-Werks.

Ein keltischer Waldgeist begrüßte die Besucher. Der grimmig dreinschauende Geselle leuchtete grün auf der Bühne des T-Werks. Dort hatten am Mittwochabend, in der längsten Nacht des Jahres, neun Frauen etwas ganz Besonderes vor. Sie alle, zwischen 29 und 62 Jahre alt, von Beruf Lehrerin, Sozialarbeiterin oder Puppenspielerin, widmen sich seit März der Kunst des Erzählens. Unter der Leitung von Suse Weiße haben sie ein abendfüllendes Programm erarbeitet, das sie im T-Werk präsentierten.

Und es fühlte sich an wie eine vorfristige Bescherung: Ohren- und Gaumenschmaus satt! Die Erzählerinnen nahmen ihre Zuhörer mit auf eine Reise durch die Geschichtenwelten von Ostfriesland über Irland bis hin nach Bulgarien. Sie tauchten ein in den Kosmos von Riesen, Trollen und Elfen, von Odderbankis und Puken, von Derwischen, Dudelsackpfeifern und Meeresschönheiten. Dazwischen gab es Süßes und Salziges, Gebackenes und Gebratenes, Tee aus dem Samowar, Piroggen und Waffeln vom liebevoll zubereiteten Büffet.

Der fast dreistündige Abend begann mit der Erzählerin Annette Paul, die einen selbstsüchtigen Riesen das eigene innere Kind entdecken ließ und mit viel Wärme diese Geschichte einer Initiation präsentierte. Schon als die zweite Erzählelevin Doris Ette die Bühne betrat, wurde deutlich: Was hier geboten wird, lässt sich nicht miteinander vergleichen, sondern es zeigt aufs Schönste, dass ganz unterschiedliche Menschen mit sehr verschiedenen Biografien am Werke sind, was sich in der Wahl ihrer Themen und Stoffe und der Gestaltung des Vortrags niederschlug. Da gab es solche, die schon mit einiger Bühnenerfahrung ausgestattet mit den Reaktionen des Publikums souverän spielten, wie Nora Raetsch, und solche, die an diesem Abend erste Bühnenerfahrungen sammelten.

Doch eines war immer spürbar: Alle wollen erzählen. Und sie haben etwas zu sagen. Sie zeigen ihren Witz, ihre Wärme, ihre Vorlieben. Ganz besonders spürbar wurde das bei zwei Frauen, die mehrere Auftritte in dem dreiteiligen Abend hatten. Rhea Schönfeld ließ einem durch ihre Schilderungen der kulinarischen Köstlichkeiten bei der Bewirtung eines Derwisches buchstäblich das Wasser im Munde zusammenlaufen oder, etwas später, bei der aufkeimenden Liebesbeziehung zwischen einer jungen Bäuerin und ihrem Knecht das Herz warm werden. Viel Lebens- und Genusserfahrung sprachen da aus der jung gebliebenen Pensionärin.

Karin Warnken, eine junge Frau mit Nickelbrille, in Pluderhosen und bestickter Bluse, entführte die Zuhörer in die Geschichtenwelten ihrer ostfriesischen Heimat. Die Besonderheiten dieses Erzähluniversums mit Puken oder Odderbankis – je nach Behandlung durch die Menschen sind sie ungemein hilfreiche Haus- oder total nervende Plagegeister – muss man eigentlich schon mit der Muttermilch aufgesogen haben, um sie so trocken präsentieren zu können. Wunderbar, wie es Suse Weiße, quasi als Geburtshelferin, gelungen ist, nicht nur dieses Erzähltalent zu entwickeln. Das war an diesem sehr runden Abend, der von Mechthild Klann musikalisch und von Franziska Bauer und Sandra Schramm erzählerisch komplettiert wurde, immer wieder zu spüren und als Zuhörer fiel es einem nicht leicht, eine persönliche Favoritin zu küren. Fast zum Schluss gab es noch eine schöne Besonderheit. Die Bulgarin Deniza Petrova machte die Zuhörer mit einer ziemlich skurrilen Geschichte aus ihrer Heimat bekannt, die sie mit Ernsthaftigkeit und Lakonismus zum Besten gab. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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