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Das Pendant zum Skandal. An ein Bild von Édouard Manet knüpft der Potsdamer Maler Mike Bruchner in seinem Werk „Void“ an. Manets „Olympia“ löste 1865 einen der größten Skandale der Kunstgeschichte aus. Wegen des nackten Körpers, aber auch wegen der Flächigkeit – eine Referenz an den asiatischen Holzschnitt, die Bruchner aufgreift.

©  Andreas Klaer

Kultur: Triumphzug der einst Abgewiesenen

Made in Potsdam I: Ausstellung im Kunstraum zum Nachleben der Motive der Impressionisten

Achtungsvoll winken sie rüber zu den großen Impressionisten, die in gut einer Woche im Museum Barberini die Wände füllen: zu den Monets, Manets, Renoirs. Ihre flirrend zartgetupften Seerosen, Sonnenaufgänge und Picknicks haben sich eingebrannt in die Köpfe der Nachwelt. Die Motive der einstigen Lichtfänger fordern heutige Künstler ehrfurchtsvoll zum Diskurs heraus.

Ab dem heutigen Samstag zeigt eine Willkommensausstellung im Kunstraum c/o Waschhaus Werke von 16 Künstlern, die sich auf die Bildwelten dieser Berühmtheiten beziehen, aber im Nachleben etwas sehr Eigenständiges aufweisen. In ihrem Widerhall geht es ihnen nicht darum, die impressionistische Malweise des flüchtigen Augenblicks im heiter gelösten Pastell fortzuführen. Hier gibt es durchaus auch Brüchig-Bedrohliches. Die sonnengetränkte Idylle schlägt mitunter um in die Katastrophe. Wenn der Leipziger Maler Lutz Friedel sein Spargelbündel auf die Leinwand bringt, werden die Stangen nicht wie bei Edouard Manet durch einen feinen Bindfaden gehalten, sondern durch Stacheldraht. Und Manets friedlich aufgetürmter Heuschober mit glänzender Schneemütze mutiert bei Friedel zum düster aufragenden Koloss: zum Turm zu „Babel“.

Die Ausstellung „Im Freien“ ist Teil des Festivals „Made in Potsdam“ und zeigt auch sechs Potsdamer Positionen. Da gibt es die absterbenden Seerosen Bernd Krenkels, die tiefroten Mohnfelder von Barbara Raetsch oder den zarten Hinterglas-Spargel von Astrid Germo. Kunstraum-Organisator Mike Geßner ging es aber vor allem darum, dem Potsdamer Kurator Andreas Hüneke eine Spielwiese für einen wilden Reigen impressionistischer Adaptionen zu geben, um das Barberini würdevoll zu begrüßen.

Beim Aufspüren heutiger Pendants wurde Hüneke deutschlandweit fündig. Seine erste Inspiration geht auf den DDR-Kunstbetrieb 1982 zurück. Als in Dresden die IX. Kunstausstellung stattfand, organisierten abgelehnte Künstler im Dresdner Leonhardi Museum eine Gegenschau. So wie es einst ihre Kollegen 1874 in Paris taten: im „Salon der Abgewiesenen“, dem Salon des Refusés.

Denn auch die heute fast gefällig anmutenden französischen Impressionisten fielen anfangs bei den offiziellen Kunstausstellungen durch, mussten Spott und Anfeindungen ertragen, weil sie dem traditionellen Malstil abgeschworen hatten. Sie interessierten sich nicht mehr für das genaue Abbild der Natur, wollten stattdessen ihre eigenen Gefühle zum Ausdruck bringen: den Zusammenklang von Licht und Farbe. Edourd Manets berühmtes Bild „Frühstück im Grünen“ von 1863 galt als ein besonderer Affront, zeigte er doch eine nackte Frau inmitten der angezogenen Herrengesellschaft. Dieses Manet-Motiv griff Strawalde auf, als er 1982 das Plakat für die Gegenausstellung im Leonhardi Museum malte. Manets Frühstücksbild hält immer wieder Einzug in Ateliers der Nachgeborenen. Der im Jahr 2000 in Weimar verstorbene Künstler Hans Winkler malte es untersetzt mit Kinderskeletten, die dem Freiluft-Vergnügen einen makabren Anstrich geben. Auch der Hallenser Künstler Moritz Götze näherte sich 2012 Manets Frühstück im Grünen: mit kritischem Blick im Pop-Art-Stil. Bei ihm ist Manets Wald fast abgeholzt, am Horizont gibt es qualmende Schornsteine und am Strand häuft sich der Wohlstandsmüll.

Einige der Arbeiten im Kunstraum entstanden direkt für die Ausstellung. Der Bremer Zeichner und Lyriker Dieter Rogge brilliert mit einer französischen Kathedrale grafisch so gekonnt, dass der Betrachter in der feinen Schwarz-Weiß- Schraffur das flimmernde Licht spüren kann und eine Farbigkeit wie bei Monet zu sehen meint. Auch Mike Bruchner steuerte ein extra gemaltes Werk für die vielstimmige Willkommensausstellung bei. Sein „Void“ ist ein Pendant zu Manets „Olympia“. Diese nackte Schöne löste 1865 einen der größten Skandale der Kunstgeschichte aus. Manet wurde nicht nur wegen der Freizügigkeit, sondern auch für die fehlende Räumlichkeit des Bildes kritisiert. Doch damit huldigte er wiederum der Fläche im japanischen Holzschnitt. Dort knüpfte auch Bruchner an, als er einem asiatischen Masseur bei der Arbeit an einem nackten Frauenrücken Gestalt gab.

Wer die heutigen Interpretationen mit den ursprünglichen Motiven vergleichen will, kann das in der oberen Etage des Kunstraums tun: Von dort gibt es nicht nur einen wunderbaren Blick auf Krenkels bewegtes Seerosen-Meer, hier hängen auch Fotokopien der originalen Vorbilder: die unvergänglichen Motive für nachwachsende Künstlergenerationen. Ab 23. Januar empfiehlt sich natürlich der Weg ins Museum Barberini, um den Meistern des 18. und 19. Jahrhunderts direkt und unverfälscht ins Auge zu schauen.

„Im Freien“ bis 26. Februar 2017, im Kunstraum c/o Waschhaus, Schiffbauergasse, Mittwoch bis Sonntag von 13 bis 18 Uhr

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