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Kultur: Treppauf, treppab und um die Ecke

Die Produzentengalerie „M“ erobert mit der Ausstellung „Move around the Corner“ ihre neuen Räume

Es ist Bewegung in dieser Ausstellung und eine heitere Leichtigkeit. Neugierig schaut man um jede Ecke, steigt in das Kellergewölbe hinab und tritt hinaus in den kleinen Innenhof – und wird immer wieder überrascht. Die Galerie „M“ hat sich ihre neuen Räumlichkeiten in der Charlottenstraße 122 mit Selbstbewusstsein und Fingerspitzengefühl erobert. Ihre Eröffnungsausstellung „Move around the corner“, die den Umzug der Galerie vom Luisenforum in die nun gemeinsam bespielten Räume mit der Galerie Ruhnke sinnkräftig beschreibt, betrachtet das Thema Bewegung von vielen Seiten.

Die Bewegung von Rainer Fürstenberg strebt in die Höhe – und wird dort rigoros gekappt. Er stellte in den Innenhof einen dicken Ast mit Rinde, an dem eine Unmenge kleiner rostiger Rollen angebracht sind. Sie wirken wie Baumpilze, die sich an ihrem Wirt festgesogen haben, ihn förmlich überschwemmen und an ihm zehren. Bis er irgendwann zerfällt. Noch aber steht dieser „Jakobsweg“ genannte Aststumpf wacker vor der Klinkerwand und ist ein Hingucker, der die bekannt-hintergründige Handschrift des Künstlers in neuer Materialsymbiose zeigt.

Die am gestrigen Donnerstagabend eröffnete Schau des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler in ihrer Produzentengalerie vereint die Bewegungen von 13 Künstlern und lässt doch genug Spielraum, dass sich jeder Einzelne seinen Platz erobern kann. Michael M.Heyers ist mit zwei wunderbar korrespondierenden Arbeiten vertreten. Sein buschig dichter „Hinterhof“ mit den wie Waben aneinderklebenden geschlossenen Kreisen öffnet sich zum „Kleinen Garten“: aus der Enge und Dichte befreit. Wie luftig verschlungenes Blattwerk rankt es nun im frischen Grün an der weißen Wand und scheint durch seine gelbe Hinterwandbemalung von Sonne durchtränkt. Der durch seine Marmorskulpturen bekannte Künstler, der in der Neuen Panzerhalle Groß Glienicke arbeitet, hat sein Atelier inzwischen in der zweiten Etage und kann nicht mehr den schweren Stein hinauf transportieren. Also macht er aus der Not eine Tugend und arbeitet nun zweidimensional, wobei seine aus Hartfaserplatten geschnittene Arbeit durchaus Räumlichkeit suggeriert.

Der Falkenseer Künstler Heinz Bert Dreckmann lädt die Besucher zum Mitspielen ein. Das Ziehen an einem dünnen Stift setzt 19 silberne Drahtbügel, wie man sie aus der Reinigung kennt, in Bewegung: ein kineastisches Objekt von einfachem und doch so faszinierendem Zauber. Immer wieder möchte man diese auch ästhetisch ansprechende Arbeit in sanften Schwung versetzen. Der Preisträger der diesjährigen „Spektrale 5“ – eine Ausstellung brandenburgischer Gegenwartskunst im Landkreis Dahme-Spreewald – greift gern zu Untensilien aus dem Haushalt, um sie umzufunktionieren. Mal sind es Putzschwämme und jetzt eben Bügel, die nicht nur schwer tragen, sondern sich auch grazil bewegen können, wie Dreckmann zeigt.

Zu den Werken in dem weißen Gewölbe im Souterrain führt ein schwarzes Band die Treppe hinab. Es nimmt seinen Anfang im Flur, direkt unter einer auseinandergeschnittenen Fotografie. Folgt man dem Wegweiser von Birgit Borggrebe und Ilse Winkler wird man am Ende nicht nur mit dem noch intakten Foto belohnt, das drei Kinder im Innenhof der Galerie zeigt. Man sieht dort auch die Kleinskulpturen von Anna Arnskötter zwischen majestätischem Verharren und abtastender Bewegung ihre Balance suchend. Und vor allem die Fotografien von Monika Funke Stern, die eine warmherzige Hommage an das Leben sind. Ein von ihr auf der Straße fotografiertes Paar auf der Krim, wo die Falkenseer Künstlerin mehrere Monate im Jahr lebt, strahlt vor unverstellter Fröhlichkeit. Der Mann mit Down Syndrom ist offensichtlich einfach glücklich unter seiner Pelzmütze mit dem Russenstern und der Frau im Arm. Mit Plastikrose in der Hand und goldener Teddybrosche am Kragen strahlt auch sie in ihrer ungezwungenen herben Natürlichkeit. „Herzlichen Glückwunsch, wir sind umgezogen“, heißt diese berührende Arbeit, die bestens zum Anlass der Ausstellung passt.

Am Ende dieser Bewegungstour durch die neuen Räume der Galerie „M“ heißt es sarkastisch: „Und nun wird wieder in die Hände gespuckt. Wir steigern das Bruttosozialprodukt“. In ihrer Videoarbeit „Move Move“ lässt Monika Funke Stern zu dieser Liedzeile der Band Geier Sturzflug mausgrau gekleidete Männer Rasenmäher über die Wiese schieben: den Blick stumpfsinnig nach unten gerichtet, immer schneller in der Bewegung, bis sie schließlich förmlich über den Rasen rasen. Ein Film in Endlosschleife, der entseelte Menschen zeigt, die zur Maschine degradiert wurden. Dennoch steigt man nicht deprimiert die Treppe wieder hinauf. Es sind leise, durchaus unterhaltsame Fingerzeige, die die Kehrseite ständiger Bewegung kritisch pointiert herausstreichen.

Der Umzug der Galerie „M“ um die Ecke hat sich als Bewegung in eine vielversprechende Richtung erwiesen: So viel Licht und Bewegungsmöglichkeiten gab es in der alten Galerie nicht.

Zu sehen bis zum 12. August, Mittwoch bis Freitag von 11 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr, Charlottenstraße 122

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