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Von Prinzessin Leonore bekränzt. Der italienische Renaissancedichter Torquato Tasso, gespielt von Alexander Finkenwirth.

© HL Böhme

"Torquato Tasso" in Potsdam: Wiederentdeckung eines Klassikers

Nach 20 Jahren wird im Schlosstheater wieder Goehthes Klassiker gespielt: Tina Engel inszeniert „Torquato Tasso“. Schon dem Dichter selbst war klar, dass das kein einfacher Stoff ist.

Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in Potsdam wieder Theater gespielt. Bevor im Herbst 1949 das Brandenburgische Landestheater in der als Theatersaal eingerichteten Gaststätte „Zum Alten Fritz“ mit Goethes „Faust“ seine Türen öffnete, war man für mehr als ein Jahr im Schlosstheater im Neuen Palais zu Gast, als ständige Spielstätte. Auch hier Goethe zum Auftakt, mit „Iphigenie auf Tauris“, ein Stück, das der Humanität, der Wahrheit und Nächstenliebe verpflichtet ist. In den Jahren nach den Schrecken und den Zerstörungen des Nationalsozialismus und des Krieges war das eine hoffnungsvolle Botschaft.

Goethes „Iphigenie auf Tauris“ hat danach in Potsdam jedoch immer ein Schattendasein geführt. In den vergangenen Jahrzehnten hat es nicht den Weg auf den Spielplan des Hans Otto Theaters gefunden. Auch die anderen Stücke des Weimarer Klassikers, außer „Faust, Teil I“ gab es selten etwas in Potsdam, mal „Clavigo“, „Die Mitschuldigen“ oder „Die Laune des Verliebten“. Schon Goethe klagte 1825 in einem Gespräch gegenüber seinem Sekretär Eckermann „Hier in Weimar hat man mir wohl die Ehre erzeigt, meine ,Iphigenie‘ und meinen ,Tasso‘ zu geben; allein wie oft? Kaum alle drei bis vier Jahre einmal. Das Publikum findet sie langweilig. Sehr verständlich. Die Schauspieler sind nicht geübt, die Stücke zu spielen, und das Publikum ist nicht geübt, sie zu hören.“

Nun wird am kommenden Samstag nach 20 Jahren in Potsdam „Torquato Tasso“ Premiere haben, im Schlosstheater im Neuen Palais. 1993 brachte das Ensemble des Hans Otto Theaters das Schauspiel abwechselnd auf die Bühne der „Blechbüchse“ und des Neuen Palais. Damals führte Intendant Guido Huonder Regie. In der aktuellen Inszenierung hat Tina Engel die Spielleitung. Die renommierte Berliner Schauspielerin ist den Potsdamern durch ihre Darstellung der tablettenabhängigen und tyrannischen Mutter in „Eine Familie“ von Tracy Letts bestens in Erinnerung. Seit 2001 ist sie auch als Regisseurin tätig, unter anderen in Stuttgart, Zürich, am Berliner Renaissance Theater und am Ernst Deutsch Theater in Hamburg. Nun hat sie sich mit „Torquato Tasso“ auseinandergesetzt.

Johann Wolfgang Goethe schrieb das Schauspiel zwischen 1780 und 1789, aber erst 1807 kam es in Weimar zur ersten Aufführung. Im Mittelpunkt, wie könnte es anders sein, steht der italienische Renaissancedichter Torquato Tasso, der Gast beim Herzog Alphons II. im Schloss Belriguardo ist. Gerade hat er sein Hauptwerk „Das befreite Jerusalem“ fertiggestellt und die Hofgesellschaft applaudiert ihm anerkennend. Prinzessin Leonore, die Schwester des Herzogs, die Tasso schwärmerisch zugetan ist, bekrönt ihn mit einem Lorbeerkranz. Doch es prallen zwei Welten auf dem Lustschloss aufeinander: der hoch kultivierte Adel und der von tausend Skrupeln gemartete Künstler. Seine Minderwertigkeitskomplexe führen sogar dazu, dass er Taten und Worte „ohne Maß und Ordnung zur Geltung“ bringt. Tassos Motto: „Erlaubt ist, was gefällt“.

Doch mit dem Staatssekretär Antonio Montecatino tritt ein intellektueller Gegenspieler auf, der in der Diplomatie zu Hause ist. Prinzessin Leonore hofft und stellt fest: „Zwei Männer sind’s, ich hab es lang gefühlt / Die darum Feinde sind, weil die Natur / Nicht einen Mann aus ihnen beiden formte. / und wären sie zu ihrem Vorteil klug / So würden sie als Freunde sich verbinden.“ Es könnte wunderbar sein, wenn es nach der Prinzessin An- und Einsicht ginge. Aber die Rivalität zwischen Tasso und Antonio geht einem Höhepunkt entgegen. Nach gegenseitigen Kränkungen will der Dichter den Staatssekretär sogar duellieren. Doch am Ende finden sie zueinander. Die Einsicht hat gesiegt. Geholfen hat aber auch folgende Erkenntnis: „Willst du genau erfahren, was sich ziemt / So frage nur bei edlen Frauen an.“

Während seiner italienischen Reise von 1786 bis 1788 folgte Goethe auch den Spuren Torquato Tassos in Rom und in Ferrara. Zurück in der thüringischen Residenzstadt stellte er fest, dass die Hof-, Lebens- und Liebesverhältnisse in Weimar sich denen in Ferrara sehr ähnelten. Über seinen „Tasso“ resümierte er: „Ich kann mit Recht von meiner Darstellung sagen: sie ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.“ Damit bekannte er, dass das Schauspiel autobiografische Züge trage.

1968 schrieb ein Kritiker über die Inszenierung am Münchener Residenztheater, dass er eine dienende Aufführung sah, weil man „sorgfältig betonte, eher untertrieb als forcierte, weil man Goethes Intelligenz mehr sprechen ließ als das eigene Temperament. Ganz selten wurde gehustet.“ Das war vor 45 Jahren. In Inszenierungen von 2013 könnte „der unnötige Zuckerguss der Hohen Kunst“ durchschaubar gemacht werden, auch von der künstlerischen Freiheit, vom Mäzenatentum und dem sich aus diesem Umfeld ergebenden Zwang zum Kompromiss wäre zu erzählen. Themen, die uns hier und heute nicht fremd sind.

Premiere am Samstag, 23. März, 19.30 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais

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