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Kultur: „Tonstille“

Roswitha Grüttner und Christiane Wartenberg auf der Freundschaftsinsel

Die Friedlichkeit der Freundschaftsinsel, die sich wie eine weiche Decke über den schlendernden Besucher legt, wird zunächst von den Malereien und den Tonarbeiten der beiden Künstlerinnen Roswitha Grüttner und Christiane Wartenberg auch innerhalb des Raumes bestätigt. Es ist ein geschützter Ort, der Pavillon auf der Freundschaftsinsel, und er empfängt die Besucher auch jetzt mit einer warmen Anmutung.

Denn die Töne der Keramikarbeiten von Christiane Wartenberg und Malereien von Roswitha Grüttner sind warm und freundlich und wiegen einen in einer Sicherheit, die sich freilich, zumindest was die Keramik angeht, als Trugbild herausstellen wird. Beiden Frauen ist gemeinsam, dass sie die meiste Zeit ihres Lebens im Osten der Republik verbracht haben, was sie aber nicht daran gehindert hat, den Blick in die Ferne zu kultivieren.

Roswitha Grüttner hat 1958 ihr Abitur in Halle an der Saale gemacht, und in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert, Christiane Wartenberg ist in Magdeburg geboren und hat in Weißensee Bildhauerei studiert. Beide leben freischaffend in der Umgebung Berlins, und der größte gemeinsame Nenner sind vielleicht die erdigen Farben, die sie verwenden. In einer Diagonale stehen die fünf großen Arbeiten von Christiane Wartenberg auf Stelzenfüßen, es sind umbaute Räume, Quader, Mauern, gebrannt aus Ton und meist in warmen Erdfarben.

Zunächst also stimmt der Eindruck, den der Titel der Ausstellung dem gesamten Raum verleiht: „Tonstille“ herrscht, eine von angenehmen Gefühlen und freundlichen Farben getragene Stimmung.

Doch Christiane Wartenberg hat den 20. Jahrestag des Atomunfalls in Tschernobyl zum Anlass genommen, um der Toten zu gedenken. So verbindet man dann, nachdem man die Inschrift auf der zerkratzten Wand eines Tongehäuses gelesen hat, den Titel mit der „Totenstille“. „Omnizid ist ... ein Begriff, der allgemeine Vernichtung der Menschheit bedeutet“, hat sie auf die Außenwand des leeren Gehäuses geschrieben, und da versteht es sich von selbst, weshalb ihre raumähnlichen Gebilde unbehaust sind. Durch die Reduktion auf die geometrische Form schleicht sich auch die Erinnerung an Ruinenlandschaften anderer, deutscher Art in die Wahrnehmung ein. Vielleicht hat diese Formensprache auch mit der Erfahrung der Künstlerin, die ins zerbombte Magdeburg hineingeboren wurde, zu tun. Einer Mahnung gleich zielt das an einen Kriegsmarschkörper erinnernde, dunkel drohende Fluggerät in die Weite der Halle. Zwischen ihren Arbeiten muss man hindurchlaufen, auch durch die Zwischenräume spähen, die sich schlundartig öffnen, und man wird jedes Mal über eine neue Perspektive staunen.

Von ganz anderer Art, aber über die Brücke erdiger Farben mit den Raumarbeiten korrespondierend, sind die Gemälde von Roswitha Grüttner. Die freundliche Anmutung durch die mit Kohle, Gouache, Kreide und Farbstift bemalten relativ kleinen Bildflächen bleibt hier auch nach dem zweiten Ansehen bestehen, obwohl die Farben nicht rein sind, sondern durch die übermalte Deckung melancholisch wirken.

Es sind Reisebilder, die Roswitha Grüttner von etlichen Touren als Skizze mit nach Hause gebracht hat und hier in die malerische Form brachte. Kleine Gestalten scheinen auf den Flächen zu schwimmen („Tunis“) und gerade bei diesem Bild kommt man nicht umhin, die berühmte Tunisreise von Macke, Klee und Moillet zu erinnern, die mit vielen hellaquarellierten Arbeiten zurückkamen und die Besonderheit des südlichen Lichts und der dortigen scheinbaren Leichtigkeit mitbrachten. Zwar sieht dieses Bild auf den ersten Blick ähnlich aus wie eines dieser großen Ahnen, aber schon die gedeckten Farben widersetzen sich diesem Wiedererkennungsspiel. Roswitha Grüttner arbeitet viel mit dem Schwamm, sie bemalt die Flächen, wischt wieder weg, malt darüber, bis viele übereinander geschichtete Ebenen entstehen, die diesen flirrenden, lebendigen und dennoch irgendwie in sich harmonischen Arbeiten Atmosphäre verleihen.

Die kontrastreiche Harmonie von Roswitha Grüttners und Christiane Wartenbergs unterschiedlichen künstlerischen Positionen stimmt nachdenklich.

Bis 18. Juni, Pavillon auf der Freundschaftsinsel.

Lore Bardens

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