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Schreiben und gestalten. Das passt für Susanne Laser gut zum Theater.

© privat

Theaterschiff Potsdam: Reihenhausgötter

Wie die Potsdamer Regisseurin Susanne Laser einen Text von Kate Tempest auf die Bühne des Theaterschiffes holen will.

Potsdam - Kevin und Jane sind Götter, Mary und Brian ebenfalls. Ihr Olymp ist der Südosten Londons, hier leben sie in Reihenhäusern als Nachbarn. Sie betrügen einander, verzweifeln – und irgendwann sterben sie. Diese Götter, die Kate Tempest in ihrem 2017 erschienenen Langgedicht „Brand new Ancients“ (zu Deutsch „Brandneue Klassiker“) erschafft, sind keine allmächtigen Überwesen. Sie sind unzulänglich und fragil und scheinen die gesamte Geschichte der Menschheit mit allen Höhen und Tiefen in sich zu tragen. Die britische Musikerin und Lyrikerin Tempest erzählt von zwei Familien in einer Art moderner Mythologie, eine antike Tragödie im Jetzt. Ihre Sprache ist rhythmisch, hypnotisch, rauschartig.

„Dieses Gedicht wurde zum Lautlesen geschrieben“, heißt es bei Tempest gleich zu Beginn. Das ruft nach Bühne. Die junge Theaterregisseurin Susanne Laser inszeniert nach „Brand new Ancients“ nun ein Stück auf dem Potsdamer Theaterschiff und nennt es: „Brandneue Götter“.

„Ich muss zugeben, dass ich sie vorher nur dem Namen nach kannte“, sagt Laser über Kate Tempest. Die Idee zu dem Stück kommt aus dem Ensemble des Theaterschiffes, wo die 30-Jährige 2017 mit „Die Verwandlung“ von Franz Kafka als Regisseurin debütierte. Man schlägt ihr eine weitere Zusammenarbeit vor, sie sagt zu, lernt die Kunst Tempests kennen und fängt schließlich Feuer: „Ich finde, es ist ein spannendes Experiment“, sagt sie.

Es ist erst das zweite Mal, dass Susanne Laser Regie im Theater führt, aber Theater ist nicht neu in Lasers Leben. Eine Verbundenheit fühlt sie schon lange, auch wenn sie in der Theaterwelt erst ihren Platz finden muss. Rund zehn Jahre steht sie selbst auf der Bühne des Jugendtheaters im T-Werk, will Schauspielerin werden. Nach „einem grauenhaften Vorsprechen“ an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ direkt nach dem Abitur, so sagt sie, ändert sich das. Sie beginnt eine Ausbildung zur Mediengestalterin, studiert danach. In dieser Zeit schreibt sie auch zum ersten Mal zwei Kurzfilme. Heute arbeitet sie erfolgreich als Kommunikationsdesignerin und Autorin. Für ihren 2016 erschienenen Reiseführer „Kein Hawaii. Pilgern durch das Havelland“ wird sie 2017 für den Designpreis Brandenburg nominiert und gewinnt den Förderpreis der Horizont Stiftung.

Schreiben und gestalten, das scheint es also zu sein. Und das passt für die 30-Jährige auch gut zum Theater: „Regie ist für mich das Inszenieren, das Gestalten von Text, Bild, Ton, Licht und das Organisieren von vielen Teilen zu einem großen Ganzen“, sagt sie.

Das Tempest-Experiment beginnt sie damit, dass sie sich quasi den Text für sich selbst erschließt und übersetzt – auch eine Art der Gestaltung. Sie entscheidet sich für „Brandneue Götter“ als Titel, weil sie die Übersetzung von „Brand new Ancients“ als „Brandneue Klassiker“ nicht ganz treffend findet. „Der Originaltext ist wesentlich stärker als die Übersetzung“, meint sie. Die deutsche Fassung sei an vielen Stellen sperrig und nicht auf der Höhe der Zeit, besonders, wenn es um Begriffe im Rap gehe, der bei Tempest Stilmittel ist, so die Kritik, die man auch in den Feuilletons findet.

Für das Bühnenbild hat sich Laser gefragt, was sie selbst mit den „Göttern unserer Zeit“ – uns Menschen – verbindet. „Showtreppe und Blingbling, Schönheitswahn und Hedonismus“ kommen ihr in den Sinn. So gibt es einen goldenen Vorhang, allerdings kitschig verklärt, er ist aus Plastik. Eine Diskokugel hängt über der Bühne, als „einfacher Platzhalter für Sehnsucht nach Leichtigkeit und Spaß“, aber auch als Zauberwerkzeug, das die Illusion eines Sternenhimmels erzeugt. Die vier Schauspieler Karen Schneeweiß- Voigt, Jördis Borak, Stefan Reschke und Rüdiger Braun sollen wie schwarz-weiße Stummfilmfiguren wirken. Die Gesichter sind weiß, die Augen starr, Kostüme werden nur auf weiße Overalls aufgemalt.

Die Inszenierung soll Tempests Götterwelt ausloten. „Der Text bietet einen großen Spielraum für die Auslegung und szenische Übertragung“, sagt Laser. Das kann durchaus ein bisschen quälend sein: „Tempests Figuren sind mir oft unangenehm, und dann habe ich wieder Mitleid mit ihnen. Eine Haltung zu ihnen zu finden, ist nicht leicht.“ So gebe es eine enorme Spannbreite von weltverbesserisch romantisch bis hin zu schonungslos gesellschaftskritisch. Und Tempest selbst sei auch nicht eindeutig: „Mal sympathisiert sie mit ihren Figuren, mal erscheinen sie wie platte, unglaubwürdige Abziehbilder.“ Aber das sei auch das Interessante. Laser wünscht sich, dass der Text auf der Bühne dem Zuschauer Ansätze bietet, eine Position zu finden. Ob dieser „Fake oder Fakt, Fame oder Voyeurismus“, wie Laser es ausdrückt, sieht, erwartet sie selbst gespannt. Auch das gehört zum Experiment. 

„Brandneue Götter“, Premiere heute um 19.30 Uhr auf dem Theaterschiff, weitere Aufführungen am 28.4. und 25.5.

Andrea Lütkewitz

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