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So fühlt sich Mann gelegentlich auch mal wohl. Schauspieler von Shakespeare und Partner in „Alles ist wahr – Heinrich VIII.“.

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Kultur: Theater, wie es früher war

Shakespeare und Partner bringen „Alles ist wahr – Heinrich VIII.“ im T-Werk auf die Bühne

Man denkt nicht an Shakespeare und schon gar nicht an Heinrich VIII. von England, wenn man die mit bauschigen Tüllröcken bekleideten Männer auf dem Ankündigungsflyer sieht. Und doch scheint so ein Bild nicht von weit hergeholt, wenn man weiß, dass zu Shakespeares Zeiten Frauen auf dem Theater nicht erlaubt waren und weibliche Rollen demzufolge von Männern verkörpert wurden. Und Heinrich VIII., der Prototyp eines Renaissanceherrschers, der die Jagd und das Tennisspiel über alles schätzte und auch so mancher Maskerade nicht abgeneigt war – hätte eine solcherart ausgestellte Inszenierung möglicherweise amüsiert.

„Alles ist wahr – Heinrich VIII.“ ist eine Inszenierung von Shakespeare und Partner, die ab heutigem Donnerstag bis zum Samstag als Gastspiel im T-Werk zu erleben sein wird. In ihr werden fünf Schauspieler in über 20 Rollen schlüpfen und eine sehr brisante Episode aus dem Leben des berühmt berüchtigten Herrschers – er hatte insgesamt sechs Ehefrauen, von denen er zwei köpfen ließ – auf die Bühne bringen. Heinrich VIII. befindet sich im Stück auf dem Höhepunkt seiner Macht und hat beschlossen, gegen alle Staatsvernunft, die junge und schöne Anne Boleyn zu seiner Ehefrau zu machen. Allerdings ist er seit 20 Jahren mit Katharina von Aragón verheiratet, und die hat als Verwandte von Kaiser Karl V. sehr viel Macht im Rücken. Und da sie sich nichts zuschulden kommen ließ, allerdings keinen männlichen Thronerben gebären konnte, war sie nicht bereit, das Feld zu räumen.

Aber es geht in Shakespeares letztem Historiendrama, das hier in einer entschlackten und sehr pointierten Übersetzung von Werner Buhss aufgeführt wird, nicht vordergründig um die Konkurrenz der beiden starken Frauen, sondern vielmehr um die mächtigen Männer im direkten Umfeld des Königs, die ebenfalls in jede Menge Kämpfe verwickelt sind. Und gerade das, sowie die Situation, dass der König aus seiner privaten Situation einen Staatsakt macht, macht „Alles ist wahr – Heinrich VIII.“ zu einem Stück, das auch für uns Heutige sehr interessant sei, sagt Andreas Erfurth, der unter anderem den anfangs übermächtigen Kardinal Wolsey verkörpert.

Nach dem großen Erfolg von „Othello“, der im vergangenen Sommer im T-Werk gezeigt wurde, werden die Zuschauer auch diesmal wieder Zeugen davon, wie Theater gemacht wird. Sie sitzen im schwach beleuchteten Zuschauerraum und können verfolgen, wer, mit welchen Kostümen, in welche Rollen schlüpft. Sie sehen, wie sich die Schauspieler schminken, aber sie sehen auch die Reaktionen ihres Nebenmannes. „Barrierefreies Theater“ nennt Andreas Erfurth diese Vorgehensweise, die direkt an das Globe-Theater der Shakespeare-Zeit angelehnt ist. Die Transparenz des direkten Entstehungsprozesses ist dabei genauso wichtig wie die Improvisationsmöglichkeiten, die die Schauspieler dabei haben, um auf Vorgänge im Publikum zu reagieren. Die beiderseitige Direktheit baut auch im Publikum Hemmungen gegenüber der hohen Kunst ab und man muss, so verspricht Andreas Erfurth, die ursprüngliche Shakespearesche Stückvorlage nicht kennen, um jetzt Freude am Spiel zu haben.

Eigentlich ist „Heinrich VIII.“ ein Auftragswerk und ein politisches Propagandastück, das vor allem für Zeitgenossen von Interesse war und heute in England zu besonderen Feiertagen aufgeführt wird. Die Companie Shakespeare und Partner legt jedoch Wert darauf, dass ihre Stücke gut les- und verstehbar sind. Die Blankvers-Fassung von Werner Buhss ist modern, ohne modernistisch zu sein. Der Sprachgestus sei ein sehr heutiger und Buhss habe sehr interpretatorisch übersetzt. Gerade das findet Andreas Erfurth spannend, weil Buhss damit auch eine klare politische Haltung bezieht. Besonders interessiert war die Theatercompanie an der auch sehr heutigen Situation, dass jemand glaubt, sich mit Vehemenz über andere zu setzen, sodass diese auf der Strecke bleiben: Im Stück fallen einige nur die Karriereleiter runter, andere werden sogar geköpft. Dabei geht es vor allem um den sogenannten Mittelbau der Macht, um diejenigen Staatssekretäre, die sich auf einem schmalen Grat bewegen, und alles dafür zu tun, um nicht aus der Umlaufbahn zu geraten.

Der König wurde bis vor zwei Jahren vom Gründer der Companie Norbert Kentrup, der dieses Stück auch ausgegraben hat, verkörpert und es war eine große Herausforderung diesen alten, ziemlich beleibten König umzubesetzen, nachdem der Schauspieler wegen Krankheit ausfiel. Jetzt spielt der wesentlich jüngere Regisseur Markus Weckesser den Monarchen, der nun eher wie ein cooler Manager als ein sinnenfreudiger Schwerenöter wirkt. Dieser gänzlich andere Phänotyp ermöglicht auch Facetten zu beleuchten, die, so Andreas Erfurth, vorher so nicht zu sehen waren.

Eine Schlüsselszene, um die Machart der komödiantischen Inszenierung zu begreifen, ist im zweiten Teil zu sehen, als Katharina von Aragón – bei Shakespeare legt sie sich zum Sterben nieder – ihre eigene Beerdigung zelebriert. Ein Schreiber muss dabei jeden Schritt dieses Rituals schriftlich festhalten. Wenig später wird klar, dass es sich dabei um eine Inszenierung in der Inszenierung handelt und das Publikum hat bei diesem Vorgang ungeachtet der zugrunde liegenden Situation so viel Freude, dass es schon oft Szenenapplaus spendete. Und: Jan Maak in der Rolle der Katharina zu erleben, verspricht Andreas Erfurth, sei schon ein besonderer Genuss.

„Alles ist wahr – Heinrich VIII.“ am heutigen Donnerstag, Freitag und Samstag, jeweils 20 Uhr, im T-Werk in der Schiffbauergasse

Astrid Priebs-Tröger

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