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Theater: Leipziger Figurentheater gastiert im T-Werk

Theatralisch prall und experimentell. Das Leipziger Figurentheater Westflügel trat im T-Werk in Potsdam auf. Die Vorstellung kam nicht bei allen Zuschauern gut an.

Potsdam - Schon die Stücktitel ließen erahnen, dass dies kein besonders diesseitiger Theaterabend mit leicht zu konsumierenden Inhalten werden würde. Mit „Frankenstein“, „Seánce“ und „Epiphanie“ war das internationale Leipziger Figurentheater Westflügel am Freitag- und Samstagabend im Rahmen eines sogenannten „Westflügel-Wochenendes“ im T-Werk zu Gast. Ganz unterschiedliche Handschriften des Objekt- und Figurentheaters vorzustellen, ist ein Anliegen des T-Werks, dem in diesem Jahr noch stärker als bisher mit mehreren langen Wochenenden Rechnung getragen werden soll.

Für Liebhaber experimentellen, oft skurrilen und vorzugsweise absurden Figurentheaters ist der Leipziger Westflügel schon lange kein Geheimtipp mehr. Seit 2005 entwickeln Charlotte Wilde und Michael Vogel, die seit 1998 regelmäßig im Potsdamer T-Werk zu Gast sind, in Plagwitz einen internationalen Produktions- und Aufführungsort für und von experimentellem Figurentheater. Die beiden blieben nicht lange allein, vorzugsweise andere Absolventen der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, die für ihre Figurentheaterausbildung berühmt ist, kamen nach Leipzig. So am vergangenen Wochenende neben Charlotte Wilde und Michael Vogel auch die klassische Sängerin Winnie Luzie Burz, die seit kurzem dabei ist, Samira Lehmann und Stefan Wenzel.

Winnie Luzie Burz präsentierte sich am Freitagabend gleich in zwei Produktionen. In den überaus fragmentierten „Frankenstein“-Szenen werkelte sie als blondgelockte Sängerin im langen roten Samtkleid gemeinsam mit drei Männern an der materiell-ideellen Erschaffung des berühmt-berüchtigten Monsters. Viel heißes Wachs, jede Menge durchsichtiger Tesa-Film und eine Riesenrolle weißes Papier wurden benötigt, um neben skurrilen, filigranen (Totenkopf-)Figuren sowie mit philosophisch tiefschürfenden Texten und musikalischer Verdichtung eine schwarzhumorige Schöpfungsatmosphäre zu kreieren, die ein hervorstechendes Markenzeichen von Wilde & Vogel ist.

Zuschauer verließen den Raum

Das Spiel ist oft theatralisch prall, manchmal auch ein wenig verklausuliert oder mit (zu vielen) Bedeutungen aufgeladen. Einige Zuschauer verließen wohl deshalb am Freitag vorfristig die Vorstellung. Gerade mal fünf von ihnen hatten kurz darauf die nicht ganz alltägliche Gelegenheit, unter den ausladenden Rock einer Dame zu schauen. Samira Lehmann war ganz in Weiß wie eine Barockdame kostümiert und lud zu einem „short act upon a feeling“ ein. Sehr verspielt und charmant, wie sie dort ihren schwangeren Bauch, eine metallene Auster, eine gläserne Kugel sowie einen Mond mit umherflatterndem Schmetterling präsentierte. Und das berühmte „Blue Moon“ dazu anstimmte.

Gesungen wurde auch in „Epiphanie“. Und zwar wunderbar das „Regina Coeli“ – was ein Ehrentitel für Maria, die Mutter Jesu, und der Beginn eines an die Gottesmutter gerichteten Gesanges (Antiphon) im Stundengebet der Kirche ist. Winnie Luzie Burz, in weißem Shirt und schwarzer Jogginghose, wollte so möglichst effizient zur göttlichen Erhabenheit gelangen. Etwas Erhöhung mittels Trittstufen und zumindest äußerlicher Würde im langen weißen Gewand gelang ihr zwar in – den durch einen Küchenwecker vorgegebenen – 15 Minuten, doch der profane Vorgang zur Erlangung derselben, entlarvte auch wirkungsvoll die theatralischen Inszenierungen der katholischen Kirche und auch anderer Institutionen als solche. Aber ob im säkularisierten Leipzig solche – zugegeben ziemlich komische – „Aufklärung“ überhaupt nötig ist?

Jan Jedenaks schwarz-weiße gleichnamige Bilderfolge mit Äpfeln, Milchgläsern und Messern und einem puppenhaften Alter Ego glich mehr einer Filmsequenz aus den Anfängen des Genres als Theater im herkömmlichen Sinne und hinterließ wie der ganze erste Westflügel-Abend eine gedanken- und augenflimmernde Faszination. Zumal auch das ganze Haus einschließlich des Behinderten-WCs mit einer „Geisterbahn“ bespielt werden sollte. Dazu kam es am Freitag leider nicht, da die Mitglieder des Leipziger Künstlerkollektivs jeweils in mehreren Rollen und Funktionen an den Inszenierungen arbeiten.

Astrid Priebs-Tröger

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