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Große Oper. Das Potsdamer Musik-Theater-Ensemble I Confidenti brachte in der Schiffbauergasse die Geschichte des Schmarotzers und Möchtegern-Weiberhelden Falstaff auf die Bühne. Überzeugen konnte besonders Marlon Maia (l.) in der Titelrolle.

© Alexander Hilbert/promo

Theater in Potsdam: Schirrhofnächte: Shakespeare ohne Biss

Das Musik-Theater-Ensemble I Confidenti präsentierte seine Neuinszenierung von Sir John Falstaff während der Schirrhofnächte.

Theater auch an jene Orte im Land Brandenburg zu bringen, wo es kein Theater gibt - damit hat sich das mobile Musik-Theater-Ensemble I Confidenti einen Namen gemacht. Auf so manchen Bühnen ist das von der bildenden Künstlerin Christine Jaschinsky vor 16 Jahren gegründete Ensemble zu Hause. Zunächst erlebte man es in der Landeshauptstadt regelmäßig im Schlosstheater im Neuen Palais, wo es den Barocken Theatersommer kreierte. Auch anderswo in Brandenburg wird mitunter fix eine Bühne aufgebaut, manchmal auch nur als schmales Handtuch. In diesem Jahr war I Confidenti im Schirrhof am Kulturstandort Schiffbauergasse zu erleben. Eine relativ große Freilichtbühne stand während der Schirrhofnächte für die Theateraufführungen zur Verfügung. I Confidenti war mit zwei Produktionen vertreten, mit den Musiktheaterstücken „Die verhexte Sommernacht“ sowie mit „Sir John Falstaff gibt sich die Ehre“.

Ein Stück, das wie eine Collage wirkt

„Schlag nach bei Shakespeare“ heißt es bekanntlich im berühmten Musical „Kiss Me, Kate“. Bettina Bartz und Jürgen Hinz fanden in den Königsdramen „Heinrich IV.“ und „Heinrich V.“ sowie in der Komödie „Die lustigen Weiber von Windsor“ des britischen Renaissancedichters Anregung für ihr Musiktheaterstück „Sir John Falstaff gibt sich die Ehre". Der alternde Falstaff gilt immer wieder als beliebte Bühnenfigur. Besonders die Komponisten Antonio Salieri, Carl Ditters von Dittersdorf, Otto Nicolai oder Giuseppe Verdi haben ihn in ihren Opern unsterblich gemacht. Das Stück wirkt wie eine Collage.

Am Freitagabend war nun in Potsdam Premiere, für die auf dem Schirrhof indes längst nicht alle Sitzplätze besetzt waren. Ein umtriebiger Wind wollte während des Spiels kräftig mitmischen, der erstaunlich guten akustischen Präsenz ein Schnippchen schlagen. Doch es gelang ihm nicht. Das gesungene und gesprochene Wort erreichte die Zuschauer. Bettina Bartz und Jürgen Hinz haben der Vielzahl von Songs mit den Melodien von John Dowland, Henry Purcell und Händel neue Texte mit unserer Alltagssprache verpasst, in der emotionale Befindlichkeiten, aber auch kleine Bezüge zur aktuellen Gegenwart zu finden sind. Daraus haben sie ein Stück gearbeitet, das eher wie eine Collage wirkt. 

Schlitzohriger Schmarotzer, Möchtegern-Weiberheld

Dabei geht es teilweise recht derb zu. Sir John, ein schlitzohriger Schmarotzer, Lebemann und Möchtegern-Weiberheld, der sich auf Kosten anderer seinen Lebensunterhalt ergaunert und seinen dicken Bauch füllt, glaubt, er könne gleich zwei Damen mit gleichlautenden Liebesbriefen Avancen machen und erhofft sich ein Liebesabenteuer als auch einen kleinen „Zuverdienst“. Doch in puncto Bezahlung der Wirtshausrechnung hat er größte Schwierigkeiten. Die Damen, im Stück von Bartz und Hinz heißen sie Frau Zaster und Frau Penunse, geben Falstaff keinen finanziellen Spielraum. Er scheint an seinem Abwärtsgang vom genusssüchtigen Großkotz zum erbärmlichen Bettler zu zerbrechen. 

Doch unerwartet naht Hilfe. Königin Elisabeth I. als eine Art Deus ex machina verkündet Sir John Falstaff eine überaus befriedigende Problemlösung. Sie lässt den Adligen nicht im Stich: Der Schuldner avanciert zum Neureichen. Somit gerät das Stück nicht zu einer Belanglosigkeit, sondern zu einer nachdenkenswerten Collage. Lustvolles Gestalten kam kaum zustande. 

Die Schauspieler bewegen sich wie mit angezogener Bremse

Jürgen Hinz hat seine Inszenierung in der Shakespeare-Zeit angesiedelt. Die von Christine Jaschinsky entworfenen und von Gewandmeisterin Kristina Weiß gearbeiteten farblich geschmackvollen und kostbaren Kostüme sind der optische Höhepunkt der Aufführung. Die Darsteller bewegten sich bei der Premiere leider so, als ob sie ständig auf eine Bremse treten. Das Tasten und Suchen nach Lockerheit und pointierter Bühnenpräsenz sollte trotz hübscher tänzerischer Anmut der Damen die Aufführung über weite Strecken bestimmen. 

Dabei ist die Idee richtig gut: die beiden Musikerinnen Antonia Glugla (Violine) und Lisa Baeyens (Flöte) sowie der musikalische Leiter und Lied-Arrangeur Nathan Vanderpool (Gitarre) sind nicht nur für die Begleitung der Lieder zuständig, auch darstellerisch und sängerisch haben sie aktive Rollen, als die Damen Zaster und Penunse sowie als Herr Schotter – Namen, die man mit Geld verbindet. Das Spiel und der Gesang wirkten ganz brav eingeübt, lustvolles Gestalten kam kaum zustande, auch bei Heidrun Holke als Falstaffs Diener Robin nicht. Zudem fiel auf, dass trotz der Maske die Darstellerin zu selten mit Bühnenkollegen und Publikum kommunizierte, eher an ihnen vorbei. 

Überzeugendes Finale mit brasilianischem Bass

Dagegen war sie in der Rolle der royalen Elisabeth mit deren Unnahbarkeit gut aufgehoben. Der brasilianische Bass Marlon Maia machte mit seinem reichlich ausgestopften Bauch als Titelheld eine gute Figur. Besonders zum ansetzenden Finale, wenn er sein großes Dilemma mit der Arie von Giuseppe Verdi beklagt, gab es sehr überzeugende Momente, auch gesanglich. Dabei konnte er mit seinem Bass, der auf große Oper fokussiert ist, so richtig in die Vollen gehen. Der Falstaff-Aufführung fehlte das pointensichere Spiel und der kraftvolle Biss. Ja, man denkt mit Wehmut an frühere I-Confidenti-Inszenierungen zurück.

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