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Düster. Die Kindpuppe in magischen Traumwelten.

© promo

Theater im T-Werk Potsdam: Mutter Tod

Neue Reihe „25 Jahre Unidram“: Uta Gebert begeisterte mit „Solace“ im T-Werk.

Potsdam - Fünf Gruppen mit wunderbar unterschiedlichen künstlerischen Handschriften verkürzen im Rahmen der neuen Reihe „25 Jahre Unidram“ das Warten auf das Jubiläumsfestival, das Ende Oktober im T-Werk stattfindet. Am vergangenen Wochenende war als vorletzte die Berliner Numen Company ebendort zu Gast und zeigte ihre jüngste Produktion „Solace“, die erst im März in Straßburg Premiere feierte.

Die Berliner Puppenspielerin Uta Gebert, die schon mehrmals für Unidram – unter anderem 2009 mit „Cocon“ und 2011 mit „Anubis“ – nominiert war, schickt in ihrer neuesten Produktion ein Kind in ein dunkles Zwischenreich. Alle ihrer Inszenierungen sind in solchen Räumen angesiedelt.

An einem Strand oder in einer Wüste sitzt dieses mutterseelenallein auf einem hohen Baumstumpf. Man braucht eine ganze Weile, ehe man erkennt, dass es sich bei dieser Figur, die ganz am Anfang von „Solace“, was auf Lateinisch Trost und Zuspruch bedeutet, auf der halbdunklen Bühne erscheint, um eine Puppe handelt. Da sie lange Zeit nahezu unsichtbar und lautlos von einer Spielerin (Uta Gebert) geführt wird. Und erst als diese zusammengekauerte Person, die im Halbdunkel auch eine Frau oder ein Mann sein könnte, langsam den Kopf hebt, erkennt man ein blasses Kindergesicht.

Magische Traumwelten

Eine Ewigkeit später rieselt Sand von seiner Schulter und von den schmalen Schenkeln und irgendwann verlässt dieses zarte Wesen seinen hölzernen Sitz und erkundet die nähere Umgebung. Mit einem Stöckchen in der Hand berührt es die beiden archaischen Baumgebilde, die dort stehen beziehungsweise liegen, findet auch ein Stück Plastikfolie und eine blinkende Spielzeugfigur im Sand.

Spätestens hier vermischen sich Realität und Fantasie unentwirrbar und man folgt dieser Kinderpuppe in ihre magischen Traumwelten. Immer wieder erscheinen in der Dunkelheit der Nacht beziehungsweise im Traum schemenhaft Figuren, die mal weiße Frauen mit langen wehendem Haar oder auch den sich wandelnden Mond respektive den Tod darstellen und von Marine Chesnais verkörpert werden. Die hinteren Bühnenvorhänge eröffnen sich irgendwann als Wald, der ebenfalls seine schwarzen, wehenden Schatten wirft.

Aus diesem diffusen Hell-Dunkel-Kontrast, der die gesamte Inszenierung durchzieht, entsteht ein Zauber, der die eigene Fantasie packt und sie fortdauernd in Bewegung hält. Dieses überaus sorgfältig gesetzte Zwielicht schafft die eigentlichen Räume für die Imagination. Und auch das zumeist langsame Tempo der Bewegungen der Puppe tut ein Übriges. „Wenn ich den Dingen folgen will, brauche ich Zeit“, sagt Uta Gebert in einem Interview. „Nur in Ruhe sei präzises Arbeiten möglich; das Gefühl, selber nicht hinterher zu kommen, stört alle Beziehungen. Die zu den Dingen wie die zu den Menschen“, so die aus Dresden stammende Künstlerin.

Mit sanftem Lächeln

In „Solace“ erkundet Uta Gebert vor allem Themen wie Trost und Schutz. „In unserer gegenwärtigen Gesellschaft“, so schreibt sie, „in der die Beziehungen untereinander von Trennung und Einsamkeit geprägt sind, sind Trost, Schutz, Halt aktuelle, brisante Themen geworden.“ Und die Grundlagen für Beziehungsfähigkeit werden vor allem in der Kindheit gelegt.

In „Solace“ entwickelt sich jedoch kein fieberhafter Alptraum auf der Bühne und im eigenen Kopf, sondern dieses Kind agiert zumindest äußerlich mit großer Ruhe und Gelassenheit in diesen, seinen Traumwelten. So etwas wie Urvertrauen scheint ihm innezuwohnen. Denn das Alleinsein bereitet ihm anscheinend keine Angst, und mit den Bäumen am verlassenen Ort führt es eine vertrauliche, ja beinahe zärtliche Zwiesprache.

Einzig die langsam lauter werdende Musikcollage von Hahn Rowe mit Fließgeräuschen von Wasser bis hin zu aufwühlenden, dramatischen Motiven zeigt, wie es um das Innerste des Kindes steht. Auf dem Höhepunkt der Inszenierung entdeckt es einen Tierschädel im Sand, benutzt diesen schließlich als Maske und verwandelt sich mithilfe eines langen Mantels in ein magisches Zwitterwesen, das einen wilden, animalischen Tanz vollführt.

Doch nun wird auch die gänzlich schwarzgewandete Puppenspielerin für alle sichtbar, die mit nur einem Arm diesem Kind seine Bewegungen und seine Seele eingehaucht hat. Sie begleitet es bei diesem Tanz. Ganz am Schluss gibt es ein kurzes gegenseitiges Erkennen. Das Kind zieht langsam die schwarze Kapuzenmütze der Puppenspielerin herunter. Wir sehen dabei weder sein noch ihr Gesicht, doch Vertrauen und Geborgenheit sind augenblicklich im Raum zu spüren.

Und – auch das ist großartig – im gleichen Moment ist in diesem gewaltigen warmen Lebensstrom auch das Ende desselben zu erahnen. Denn die „Mutter“ hat genau wie der „Tod“ ein wunderbar sanftes Lächeln im Gesicht. 

Das „Merlin Puppet Theatre“ wird Ende Juni als letzte Gruppe mit „Noone’s Land“ die Jubiläumsreihe „25 Jahre Unidram“ beschließen

Astrid Priebs-Tröger

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