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Die deutsch-ungarische Schriftstellerin Terézia Mora hat ihre Darius Kopp-Trilogie vollendet.

© oto: Frank Rumpenhorst/dpa

Terézia Moras Roman "Auf dem Seil": Schwierige Ausgrabungen

Terézia Mora hat mit "Auf dem Seil" ihre Darius Kopp-Trilogie beendet und überzeugt mit einem genauen Porträt eines Außenseiters. Am 9. September stellt sie das Buch in Potsdam vor.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Sich vergraben, das hat Darius Kopp. Weit weg von der Heimat, Familie, Schulden, von seinem früheren Leben. Auf Sizilien ist er zunächst Hausmeister, später Pizzabäcker, brödelt vor sich hin, von einem Tag zum anderen. Bis auf einmal die Vergangenheit in Form der Familie wieder vor ihm steht. Zuerst trifft er seine Schwester, dann lädt sich seine Nichte selbst zu ihm ein – und bleibt. Was dann beginnt, ist ein langsames Ausgraben, eine schwankende Wiederherstellung.

Er ist kein Unbekannter dieser Darius Kopp. Bereits zwei Bücher hat Terézia Mora über ihn geschrieben. Angefangen 2009 mit „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ und fortgeführt 2013 mit „Das Ungeheuer“, wofür die Autorin mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. In ihrem aktuellen Roman „Auf dem Seil“, den sie 9. September, dem offiziellen Erscheinungstag im Waschhaus vorstellen wird, bringt sie die Trilogie um ihren Protagonisten nun zu einem Abschluss.

Odyssee durch Berliner Zimmer

Darius Kopp, einst gefragter IT-Experte, hat erst den Job und dann auch seine Frau verloren. Flora – so hieß sie – litt unter Depressionen und beging Selbstmord. Kopp hat bereits versucht, das zu verstehen, ist auf der Grundlage ihres Tagebuches umhergereist, um schließlich ihre Asche auf dem sizilianischen Ätna zu verstreuen – und gleich vor Ort zu bleiben. Als nun seine 17-jährige Nichte Lore bei ihm auftaucht, fährt er mit ihr nach Berlin zurück. Eigentlich nur, um sie dort sicher in einer WG unterzubringen, doch Lores Freunde lassen sie im Stich und Kopp will sie nicht alleine lassen. Denn wie sich herausstellt, ist seine Nichte schwanger und leidet noch dazu unter einer besonders schweren Form von Schwangerschaftsübelkeit. 

Doch wohin in Berlin? Die ehemalige Wohnung, die er mit seiner Frau gekauft hat, ist längst zwangsversteigert, bei Freunden hat er Schulden und eigentlich soll auch niemand wissen, dass er nach drei Jahren Untertauchen plötzlich wieder da ist. Was nun beginnt, ist eine Art Odyssee durch Berliner Zimmer, Hotels und Ferienwohnungen. Kopps Ersparnisse werden knapper, nicht plötzlich auf der Straße zu landen ist tatsächlich ein Tanz auf dem Seil. Genauso wie sein Schwanken bezüglich einer Lebensentscheidung. Langsam nur kann er sich dazu aufraffen, sein altes Leben wieder mit dem neuen zu verbinden, alte Kontakte zu reaktivieren, einen Anwalt wegen der Schulden einzuschalten.

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Geniale Perspektivwechsel 

Kopp bei diesem Kampf zu folgen, entwickelt eine regelrechte Sogwirkung. Erleichterung stellt sich ein, wenn er im ehemaligen Kollegen Rolf einen alten neuen Freund findet, betrüblich ist es, wenn der teure neue Anzug im Zug verloren geht. So liebevoll zeichnet Terézia Mora diesen Außenseitercharakter, so intensiv wickelt sie ihre Leser mit einer Sprache ein, die mit ihrem Perspektivwechsel zunächst irritiert, sich aber in ihrer Genialität mehr und mehr entfaltet. Der personale Erzähler, wechselt zum Ich-Erzähler und umgekehrt. „Wie Kopp von seiner Nichte erfuhr, wurde er in jedem Gespräch erwähnt. Sie reden nicht die ganze Zeit über mich, aber sie erwähnen das eine oder andere“, ist ein Beispiel dafür. Manchmal blitzt auch eine Du-Ebene auf, in der Kopp wohl seine Frau Flora direkt anspricht.

Eine wunderbar verwirrend-komplexe Sprache ist das, die Kopps Zerrissenheit, seine Unaufgeräumtheit und sein eigenbrötlerisches Wesen mit großer Intensität ausdrückt. Es bleibt nichts anderes, als ihn zu mögen, ihn besser kennenlernen zu wollen. Oder eben ihn neu kennenzulernen – je nachdem, ob man die Vorgängerromane gelesen hat oder nicht. Denn kennen muss man sie nicht unbedingt, um „Auf dem Seil“ zu begreifen. Auch das schafft Terézia Mora hier: einen Trilogieabschluss und gleichzeitig einen brillanten Roman zu kreieren, das in seinem Kosmos so dicht, in seiner Charakterstudie so schonungslos und doch sensibel ist, dass er allein durch sich selbst bestehen kann. Man buddelt sich ein in dieses Buch, in diesen Darius Kopp. Und während man ihm mit Freude beim sich wieder Ausgraben zusieht, fällt das eigene Ausbuddeln umso schwerer. 

>>Lesung am 9. September um 20 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse 6.

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