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Wohl noch nichts vom Vermummungsverbot gehört? Die Tänzer aus „Pretend we make you happy“.

©  Ionut Staicu/fabrik

Kultur: Tanzschritte zwischen Rangeleien

Festival für moderne rumänische Tanz- und Performancekunst in der „fabrik“ eröffnet

Drei junge Männer, schwarz gekleidet, mit Kapuzenjacken überm Arm, die erst mal nicht viel mehr tun, als freundlich lächelnd vor ihr Publikum zu treten. Dann ziehen sie ihre Jacken über, verstecken Köpfe und Gesichter unter den Kapuzen und die Spannung nimmt merklich zu. Es folgen einzelne Rangeleien. Und zwischen die nicht vorhersehbaren auf- und abschwellenden Spannungssituationen mischen sich spielerisch leicht, immer überraschend und irritierend Tanzschritte. Sie wirken in diesem ersten Teil der Uraufführung von „Pretend we make you happy“ von Andrea Novac bei der Eröffnung von „Moving Romania“ am Donnerstagabend in der „fabrik“ mal slapstickartig, oft skurril und befreiend.

Für die meisten hierzulande ist Rumänien in Sachen Kunst sicher eine Terra incognita. Auch wenn es berühmte Namen gibt, Rumänien seit 1990 verstärkt Anschluss an die internationale Kunstszene sucht und Sibiu beispielsweise 2007 Kulturhauptstadt Europas war. Die brandenburgische Kulturministerin Sabine Kunst bekannte bei der Eröffnung des 1. Festivals für rumänische Tanz- und Performancekunst, „Moving Romania“, dass ihr das Land am Schwarzen Meer vor allem touristisch ein Begriff sei.

Einem Programm der Robert-Bosch-Stiftung und dem Engagement des jungen Kulturmanagers Ciprian Marinescu, der in den vergangenen elf Monaten Praktikant in der „fabrik“ war (PNN berichteten), ist es zu verdanken, dass an diesem Wochenende eine erste Werkschau zeitgenössischer rumänischer Tanz- und Performancekünstler in Deutschland zu sehen ist. Am Donnerstagabend begann diese mit einer Videoinstallation zwischen vielen weißen Luftballons, die in Vorhängen von der Decke baumelten beziehungsweise den Boden darunter im „fabrik“-Club bedeckten und dem Gerangel in „Pretend we make you happy“.

Stefan Lupu, Alin State und Istvan Teglas in den Rollen der drei jungen Männer entledigten sich nach der Hälfte der Aufführung ihrer Kapuzen und wer geglaubt hatte, jetzt weniger Spannung unter ihnen auszumachen, sah sich getäuscht, denn die drei steigerten sich in eine orgiastische Züge annehmende Sprachchoreografie, in der das Wort „Dance“ eine Hauptrolle spielte. Klasse, welche Sprech(gesang)-Qualitäten hier zum Einsatz kamen. Als sie nun solcherart energiegeladen, oft pendelnd zwischen Euphorie und Katzenjammer, ihre Begeisterung fürs Tanzen in die Welt gebrüllt hatten, kam der nächste Bruch.

Die Szenerie wechselte in einen Tanzsaal und die drei Jungs, jetzt in Stoffhosen und farbigen Hemden wie in den 80ern, ließen ihrer Tanz- und Lebenslust zu Swingmusik freien Lauf, was einen aber nach längerem Hingucken durchaus zu der Frage veranlassen konnte, ob das Tanzen jetzt nicht zur Sublimierung von (berechtigten) Aggressionen dienen sollte. Die mit herzlichem Beifall bedachte Aufführung ließ einen ob ihrer ‚Botschaft‘ – Tanz kann Leben retten – zugleich begeistert und verstört zurück.

Bogdana Pascal ließ über zwei nebeneinander stehende Bildschirme Filmbeiträge flimmern, die zwischen 2003 und 2011 für das öffentliche rumänische Fernsehen entstanden sind und die einen ersten Eindruck der noch jungen, aber experimentierfreudigen Tanz- und Performanceszene, die unter materiell schwierigen Bedingungen existiert, vermittelten. Da wechselten die Spiel- und Tanzorte zwischen Bühne, Großstadtstraßen, Kinderspielplatz oder öffentlichem WC genauso wie die Darsteller, die sowohl junge Tänzerinnen, als auch eine alte Dame oder junge Männer in blauen EU-Unterhosen waren.

Dass sich die junge Tanzszene Rumäniens (noch) mit vielen Worten dem Phänomen des modernen Tanzes nähert, bekamen die Besucher gleich im Anschluss im „fabrik“-Café zu spüren. Die Choreografin Madalina Dan und die Tanzkritikerin Mihaela Michailow lieferten sich in „White words – blue hearted“ einen spielerisch tiefsinnigen Diskurs zum Thema Aufführung und Kritik. Und es war mehr als einmal für alle Anwesenden erfahrbar, wie schwierig dieses Verhältnis sein kann.

Zum Abschluss dieses abwechslungsreichen ersten Abends trat der sowohl in Rumänien als auch im Ausland renommierte Komponist und Jazzmusiker Vlaicu Golcea gemeinsam mit dem inzwischen in Berlin lebenden Tänzer und Performer Sergiu Matis auf. Sie lieferten vor allem eine fulminante Klangcollage, in der, wie beim gesamten Abend, die Offenheit für Vielfalt, die Lust an der Improvisation und nicht zuletzt viel Sinn für Humor überzeugend zum Ausdruck kamen.

Am heutigen Samstag ab 19.30 „Dance a playful body“, „Supergabriela“ und „Duet“ in der „fabrik“ in der Schiffbauergasse

Astrid Priebs-Tröger

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