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Ängste können innigen Berührungen im Weg stehen. Das Stück „Xoxo“ thematisiert sie.

© promo

Tanz-Premiere in der Potsdamer fabrik: Dem eigenen Begehren ganz nah

Das Tanzstück „Xoxo“ feiert in der fabrik Potsdam-Premiere. Es thematisiert das Bedürfnis nach menschlicher Nähe und die damit verbundenen Probleme.

Von Helena Davenport

Potsdam - Wenn scheinbar allgemeingültige Bilder von körperlichem Begehren omnipräsent sind, fällt es schwer, die eigenen Bedürfnisse, Ängste, Vorstellungen nicht aus dem Blick zu verlieren. Ganz besonders dann, wenn man sich in einem Alter befindet, in dem man seine Gefühle erst entdeckt. Aus diesem Grund hat der Berliner Choreograf Sebastian Matthias ein Tanzstück entwickelt, das sich mit dem Begehren nach körperlicher Nähe beschäftigt – eben fernab von sexualisierten Bildern. „Xoxo“ für Jugendliche und Erwachsene ab 14 Jahren findet im Rahmen des Projekts „Explore Dance“ statt, einer gemeinsamen Initiative von der Potsdamer fabrik, Fokus Tanz München und dem am Produktionshaus Kampnagel angesiedelten K3 Tanzplan Hamburg.

Erst im November wurde das Projekt, welches das sperrige Genre Zeitgenössischer Tanz für ein junges Publikum zugänglicher machen soll, in der Kategorie „Perspektivpreis für zukunftsweisende und kulturpolitische Projekte“ mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet. Da ist es etwas verwunderlich, dass beide Schulvorstellungen, die für Donnerstag und Freitag in der fabrik angesetzt waren, abgesagt werden mussten – es hatten sich zu wenige Potsdamer Klassen angemeldet. So bleibt nur die Vorstellung am Samstag, die für alle geöffnet ist. An anderen Orten kommt das Stück besser an: Nach der Stippvisite in Potsdam tourt „Xoxo“ unter anderem nach Düsseldorf und München, außerdem macht das Stück, dessen Titel in SMS-Sprache so viel heißt wie „Küsse und Umarmungen“, eine Rundreise durch Schweden.

Einen offenen Raum schaffen

Wo lernt man eigentlich, wie man berührt und wo kann man über Körperlichkeiten offen sprechen? Diese Fragen stellte sich Sebastian Matthias bei einem Feedback-Gespräch nach einer jüngeren Produktion. Die Kinder, die ihm da gegenübersaßen, sprachen wesentlich offener ihre Defizite auf dem Gebiet Körperlichkeiten an, als er erwartet hatte. So entstand die Idee zu seinem aktuellen Stück – er möchte einen offenen Raum schaffen, für einen respektvollen, transparenten und kommunikativen Austausch. Das Drumherum, das oft gar nicht thematisiert wird, soll dabei zur Sprache kommen: Wie spricht man darüber, was man mag, wie sagt man, dass hier Schluss ist? „Beim Tanz bleibt man abstrakt und ist dabei konkret“, sagt Matthias. Deswegen erschien ihm das Medium geeignet.

Auf der Bühne werden drei Tänzer zu sehen sein, die dem Publikum auch insofern näher kommen, als dass sie ihm ins Ohr flüstern. Via Kopfhörer funktioniert dieser Akt der Intimität. In dem Probenprozess haben Matthias und sein Team bereits mit rund zehn Schulklassen gesprochen, um sich an das Thema heranzutasten. Diese enge Zusammenarbeit mit den Rezipienten gehört zu dem Projekt „Explore Dance“ dazu. Es sei viel gekichert worden, verrät Matthias. Es wurde aber auch öfter ziemlich ernst: Fast die Hälfte derer, mit denen er sprach, erzählten ihm von Gewalterfahrungen. Dies habe ihn auf der einen Seite schockiert, ihm aber auf der anderen Seite gezeigt, wie wichtig eine Auseinandersetzung ist. 

>>„Xoxo“, Potsdam-Premiere am Samstag, 7. Dezember um  19.30 Uhr, fabrik, Schiffbauergasse, Wiederaufnahme in 2020 geplant

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