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© Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Tage des Brandenburgischen Buches: Ein Kampf für die gleichgeschlechtliche Liebe

Der Autor und Herausgeber Hagen von Kornbach stellte im Awo-Kulturhaus seinen Roman „Wie die Sterne entstehen“ vor.

Potsdam - Es gibt Lebensgeschichten, die scheinen einem Hollywood-Drehbuch zu entstammen. Doch das, was Hagen von Kornbach am Donnerstagabend im Rahmen der „Tage des offenen Brandenburgischen Buches“ im Awo Kulturhaus Babelsberg erzählte, ist wirklich geschehen. Zumindest in groben Zügen.

Kornbachs Buch „Wie die Sterne entstehen und warum man sie nicht zählen kann“ verarbeitet seine eigene Geschichte, die sich Ende der 1960er-Jahre in Ost-Berlin zugetragen hat: Zwei Männer – Herr K und Thomas – begegnen sich während des Studiums an der Humboldt-Universität und verlieben sich ineinander. Herr K ist das Kind einer polnischen Mutter und eines deutschen Vaters, Thomas stammt aus dem afrikanischen Ghana. Sie ziehen zusammen in ein Zimmer im Studentenwohnheim, führen fünf Jahre lang eine Beziehung und träumen von einer gemeinsamen Zukunft. Ungewöhnlich offen gehen sie zu jener Zeit mit ihrer homosexuellen Beziehung um, doch da ist dieses gefährliche Geheimnis: Thomas ist ein britischer Agent. An dem Tag, an dem sie beide die DDR verlassen wollen, um in London ein neues Leben zu beginnen, stirbt Thomas auf tragische Weise: Eine Straßenbahn stürzt wegen eines maroden Gleisbettes auf ihn und weitere Passanten.

Ein traumatisierendes Erlebnis

Hagen von Kornbach wird damals durch diesen Verkehrsunfall, der wirklich geschehen ist, traumatisiert. Er steht direkt neben seinem damaligen Partner, als dieser verunglückt. Bis heute kann er sich nicht an den Unfall selbst erinnern, was schließlich zum Antrieb für ihn wird, Erlebtes aufzuschreiben. Hofft er zu Beginn noch, dass die Erinnerung zurückkehrt – denn direkt nach dem Tod seines Freundes weiß er nicht, was geschehen ist und vermutet, er habe ihn verlassen –, ist er heute im Alter von 70 Jahren froh, dass dem nicht so ist. Es wäre wohl „zu schrecklich“, sagt er.

Zu seinen Lesungen kommen oft Männer aus der Schwulenszene, erzählt von Kornbach. Auch seine bisher erschienen Romane „Fremde Gärten“ und „Der schwarze Mann“ erzählen Liebesgeschichten unter Männern. Doch er sagt: „Ich schreibe eigentlich nicht nur für diese Szene.“ Denn aus seiner Sicht sollte von gleichgeschlechtlicher Liebe genauso „normal“ erzählt werden wie von heterosexuellen Beziehungen. Sie sollte in der Literatur ebenso häufig anzufinden sein wie die Liebe zwischen Mann und Frau.

In Russland zensierte Bildbände

Eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit schwulen Lebenswelten ist allerdings oft noch nicht gegeben. Das zeigen auch die Bildbände, die von Kornbach am Donnerstag zu seinem Roman außerdem im Gepäck hat. Als er 2017 in Sankt Petersburg aus seinem aktuellen Roman liest, lernt er die Fotografen Evgeniy Kovrov und Selva Galkin kennen. Beide setzen männliche Aktmodelle erotisch und kunstvoll in Szene, an ungewöhnlichen Orten, stillgelegten Industrieanlagen etwa. In Russland dürfen diese Fotos zwar veröffentlicht werden, allerdings nur zensiert. Das männliche Geschlechtsteil beispielsweise darf nicht zu sehen sein. „Das zerstört die Bilder“, sagt von Kornbach. Damit sie unverändert bewundert werden können, hat er sie unter den Namen „Russian Men“ und „Come East“ selbst in Deutschland veröffentlicht.

Dass sich zur Lesung am Donnerstag keine Gäste eingefunden hatten, erstaunt angesichts dieses Themas, das gekonnt eine Brücke aus der Vergangenheit in die Gegenwart schlägt. Am ehesten lässt es sich wohl mit dem großen Angebot in der Landeshauptstadt zum Tag der Deutschen Einheit erklären und damit, dass beim neuen Format „Tage des offenen brandenburgischen Buches“ zum Auftakt die Stadt Frankfurt (Oder) mit den meisten Veranstaltungen im Mittelpunkt stand. Insgesamt finden noch bis 6. Oktober an 15 Orten des Landes Lesungen, Präsentationen, Ausstellungen und Performances statt, die Bücher aus Brandenburg in den Fokus stellen. 

— Hagen von Kornbach: Wie die Sterne entstehen und warum man sie nicht zählen kann. Books on Demand, 2016, 232 Seiten, 19,99 Euro.

Andrea Lütkewitz

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