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Michael Jastrams fast anderthalb Meter hohe Bronzearbeit „Fisherman’s House“ beschwört die Ruhe.

© Andreas Klaer

Tag der Skulpur in der Potsdamer Löwenvilla: Kunst aus Haus an Haus

In der Löwenvilla sind derzeit Ausstellungsstücke von 14 Künstlern zum Thema Architektur und Haus zu sehen. Es können Märchen und Babeltürme entdeckt werden. 

Potsdam - Gut lässt es sich da oben träumen: auf hohen Stelzen, fernab vom Trubel der Welt. Dieser Einsiedler hält die Hände entspannt im Schoß, der Blick ist nach Innen gekehrt. Michael Jastrams „Fischerhütte“ erinnert an das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“, wo sich alle großen Wünsche nach Besitz zerschlagen und am Ende die kleine Fischerhütte bleibt. „Das Haus ist der Hort der guten Dinge“, sagt der Berliner Bildhauer Michael Jastram, der dem hektischen Getriebe die Ruhe entgegenhält. Seine fragile Bronze vom träumenden Ich steht nun in der Löwenvilla neben seinem massiven „Berliner Haus“: einer Mauer auf Rädern, von der man hofft, dass sie nicht an die Grenze von Mexiko weiterrollt.

Es ist eine sehr spannungsgeladene Ausstellung, die der Berliner Galerist Michael W. Schmalfuß nach Potsdam gebracht hat: ein kontrastreiches und doch homogenes Angebot von 14 Künstlern zum Thema Architektur und Haus. Damit reiht sich diese Winterausstellung in das Bildende-Kunst-Ereignis „start’19“ ein, den „Tag für die Skulptur“, der weltweit am morgigen Sonntag gefeiert wird. „An über 70 Orten in Europa und darüber hinaus erwarten Sie einzigartige Skulptur-Momente – bestimmt auch in Ihrer Nähe!“, heißt es auf der Webseite dieses Netzwerkes. Ja, und die Potsdamer finden einzigartige Skulpturen–Momente wirklich vor ihrer Tür: in der Gregor-Mendel-Straße 26.

Das Thema Haus wird von den Bildhauern sehr unterschiedlich besetzt. Klaus Hack zeigt zerklüftete Babel-Türme, Werner Pokorny spielt mit klassischen Formen.
Das Thema Haus wird von den Bildhauern sehr unterschiedlich besetzt. Klaus Hack zeigt zerklüftete Babel-Türme, Werner Pokorny spielt mit klassischen Formen.

© Andreas Klaer

Vielfältige Ausstellungsstücke

In diesem Anwesen versteckte 1944 der Hausherr Oberstleutnant Fritz von der Lancken die Aktentasche mit dem Sprengsatz für die Bombe, mit der Hitler getötet werden sollte. Hinter einer Heizkörperverkleidung im großzügigen Treppenhaus verbarg er sie. Dort stehen nun dichtgedrängt die 16 Stelen von Maximilian Verhas aus der Serie „Empty House“ mit ihren Licht- und Schattenwürfen und lassen an das Holocaust-Mahnmal in Berlin denken. Die zumeist sehr archaisch gehaltenen Arbeiten der Ausstellung sind auch in ihrer Schlichtheit wahre Fantasiebeschwörer. Obwohl sie nicht für diesen Ort des verspielten Jugendstils geschaffen wurden, trumpfen sie selbstbewusst vor den verzierten Wänden auf, spiegeln sich in goldbekränzten Rahmen.

Viele Werke dieser Gruppenausstellung sind älteren Datums und waren noch im Dezember in der Galerie Schmalfuß in der Berliner Knesebackstraße zu sehen. „Ich habe sie speziell für das Thema Architektur und Haus in den Ateliers meiner Künstler ausgewählt. Es ist spannend, wie sich in den Skulpturen die Architektur im Kleinen spiegelt, wie sie das Haus als Ort für Gemeinschaft und sozialen Lebens betrachten“, sagt Michael M. Schmalfuß, während er noch mit der Sackkarre die letzten schweren Werke hereinfährt und auf die Sockel hievt. 

Galeriast Michael W. Schmalfuss.
Galeriast Michael W. Schmalfuss.

© Andreas Klaer

Beeindruckende Babel-Türme

Besonders stolz ist er, dass er neuerdings auch den Altmeister der Bildhauerei, Werner Pokorny, mit in seinem Künstlerboot hat. „Ich habe schon immer geträumt, mit ihm zusammen arbeiten zu dürfen.“ Fast samtig wirkt die Oberfläche der mit Rost überzogenen Häuser aus Stahl. Die Form ist kalt und abweisend, die Patina besänftigt. Neben dem inzwischen pensionierten Kunstprofessor aus Ettlingen, nimmt ein weiterer Professor in Ruhestand für sich ein: Hermann Weber, der einst an der Burg Giebichenstein in Halle unterrichtete. Auch er ist ein Künstler und Mensch der leisen Art. Wie ein Einsiedler lebe er in der Pfalz und berühre mit seinen Schrein-Häusern aus Blei Glaube, Liebe, Hoffnung und vor allem den Naturschutz, erzählt Schmalfuß.

Klaus Hack , der in einem ausrangierten Güterbahnhof in Werneuchen arbeitet, schafft indes sehr bewegte Häuser: „Babel“-Türme, die man einfach berühren muss, um zu klären: Ist das wirklich Holz? Der Künstler hat es weiß überzogen, wie von Puderzucker bestäubt. Die vielen Öffnungen, die er aus dem Holz mühsam herausschälte, sehen aus wie schwarze Augen. Seine Türme erinnern an Höhlenbauten und Bienenwaben. Er lässt sie wachsen und wachsen und am Ende sind sie wie Figuren, die loslaufen wollen. Auch aus Friedemann Grieshabers viel kompakteren Häusern schälen sich plötzlich weibliche Formen heraus.

14 Künstler widmen sich dem Thema Architektur und Haus.
14 Künstler widmen sich dem Thema Architektur und Haus.

© Andreas Klaer

Es ist die zweite Ausstellung in der Löwenvilla, die Schmalfuß organisiert. Die erste fand im Juli 2018 statt und wurde von den Besuchern fast überrannt. „Wir hatten pro Tag mindestens 200 Gäste und konnten gut verkaufen.“ Da Schmalfuß neben Berlin auch noch in Marburg eine Galerie unterhält, kann er in Potsdam nur sporadisch öffnen. Er hofft aber auf personelle Verstärkung und dann auf Ausstellungswechsel alle drei Monate und konstante Öffnungszeiten.

Der kunstsinnige Vermieter Günter Hansen überließ dem Galeristen diesmal auch die obere Etage: Dort werden acht Maler und eine Fotografin die Wände beleben. Noch aber waren sie „eingepackt“. Doch auch sie werden dem Haus huldigen: als Ort der Gemeinschaft oder des Rückzugs.

>>Geöffnet am morgigen Sonntag, 13 bis 19 Uhr, 3. Februar, 13 bis 18 Uhr, 9. März, 11 bis 18 Uhr, 10. März 13 bis 18 Uhr, Gregor-Mendel-Straße 26.

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