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Fluchtgeschichte. Vor einem Jahr stand Jalal Mando noch an der türkischen Küste. Mittlerweile sitzt er in Potsdam mit der 22-jährigen Angélique Préau aus Frankreich an einem Tisch und bringt mit ihr ein Stück über die Flucht aus seiner Heimat auf die Bühne des T-Werks.

© Andreas Klaer

T-Werk in Potsdam: Sieht der Mond drüben anders aus?

Syrisch-französisches Duo: Jalal Mando und Angélique Préau stellen im T-Werk „The other face of the moon“ vor.

Die Geschichte hinter dem Stück „The other face of the Moon“ beginnt mit einem Bild wie bei Caspar David Friedrich. An einem Abend vor etwas mehr als einem Jahr stand der junge Syrer Jalal Mando an der türkischen Küste. Er schaute aufs Meer, in Richtung Europa. Er schaute sich den Mond an. Er dachte an den Weg, der hinter ihm lag. An seine Heimatstadt Homs, sein Schauspielstudium in Damaskus, die Zeit des politischen Aufbruchs, der Hoffnung, als der „Arabische Frühling“ begann. An die zwei Jahre im Gefängnis, mit denen er danach für seine politischen Aktivitäten bezahlte. Er dachte an den langen Weg von Syrien, den er nach der Entlassung zurückgelegt hatte. Und er fragte sich: Ob der Mond auf der anderen Seite vom Meer genauso aussieht?

Heute, ein Jahr später, kennt Jalal Mando die Antwort. Er lebt auf der anderen Seite des Wassers, sitzt im Foyer des T-Werks und spricht über das Theaterstück, das den Moment an der Küste im Titel trägt. Und er sagt: Nein, der Himmel ist in Europa nicht der Gleiche wie auf der anderen Seite, wo er bis 2015 zu Hause war. „In Syrien sucht man den Himmel nach Bomben oder Scharfschützen ab. In Deutschland ist der Himmel frei. Hier kann ich den Mond sehen.“ Nicht der Mond ist hier also anders, sondern die Art und Weise, wie man ihn ansieht. Um eben diesen veränderten Blick soll es in der Performance „The other face of the moon“ gehen. Kein Mitleidsstück soll es sein, keines, das rührselig von den „armen Flüchtlingen“ erzählt, betont Jalal. Sondern ein Stück, das für Potsdamer erfahrbar macht, was den Himmel über Syrien von dem über Deutschland unterscheidet. Das nicht Mitleid sucht, sondern den Dialog mit den Menschen, die hier leben.

Deswegen war für Jalal auch klar, dass er auf Deutsch spielen würde. Seit sechs Monaten ist er in Deutschland. Erst seit fünf Monaten lernt er die Sprache – was kaum zu glauben ist, wenn man sich mit ihm unterhält. Bestimmte Worte fallen ihm inzwischen schneller auf Deutsch als auf Englisch ein, was ein sehr charmantes „Denglisch“ ergibt. „Ausländer“ ist so ein Wort, das sich eingeschlichen hat. Auch Angélique Préau beherrscht Denglisch perfekt: „We are both Ausländer“, sagt die 22-jährige Französin lachend. Auch sie ist erst seit Kurzem in Deutschland, seit 18 Monaten. Den frischen, ein bisschen auch frisch verliebten Blick auf ein Land, das für beide noch neu ist, haben sie gemeinsam. Der Unterschied: Angélique Préau wollte schon als zwölfjähriges Mädchen hierher, nach ihrem ersten Schüleraustausch. Sie mochte die Menschen, mochte die Sprache. Sie brach ihr Schauspielstudium ab, um hier für ein Jahr einen europäischen Freiwilligendienst zu absolvieren. Der Zufall wollte es, dass sie einen Platz beim Offenen Kunstverein in Potsdam bekam.

Auch Jalal brach sein Schauspielstudium ab, um nach Deutschland zu kommen. Aber er kam, weil er in Damaskus nicht bleiben konnte. In vielem ähneln sich die beiden, trotz der offensichtlichen Unterschiede. Als sie sich im März dieses Jahres bei einem von Angélique geleiteten Theaterworkshop für Flüchtlinge kennenlernten, fanden sie daher schnell zusammen. Als Menschen und auch als Künstler. „Wir sehen die Welt mit den gleichen Augen“, sagt Angélique. „Als ich die Fotos sah, die Jalal von Damaskus gemacht hat, habe ich meinen eigenen Blick erkannt“, sagt sie. Sie ist Fotografin, Schauspielerin, Performerin. Er ist Schauspieler und wurde mit den Demonstrationen 2011 auch Fotograf. „Es ging gar nicht anders, man musste einfach dokumentieren, was da geschah.“ Dennoch ist Jalals Berufung das Theater. Auf seinem Facebook-Account zeigt er sich stolz vor dem Hans Otto Theater. Hier ist er am „Refugees’ Club“ beteiligt und hier wird er, wie auch Angélique, bald in einer Inszenierung von Clemens Bechtel auf der Bühne stehen.

Aber zunächst „The other face of the moon“ im T-Werk, was mithilfe des Kunstvereins möglich wurde. Philip Baumgarten steht den beiden in der Regie zur Seite. Jalal hat die Geschichte geschrieben, die eines jungen Paares, das aus Syrien flüchtet. Es ist nicht seine eigene, betont er, auch wenn natürlich das Selbsterlebte einfließt. In lose verbundenen Teilen wird das Leben vor der Revolution, das Leben im Krieg und die Flucht erzählt. Wobei „erzählt“ nur halb stimmt: getanzt und gesungen werden soll auch.

Als Jalal Mando und Angélique Préau sich für das gemeinsame Stück einen Künstlernamen überlegen sollten, stand der schnell fest: „Farasha“. Arabisch für „Schmetterling“, warum? „Weil Schmetterlinge wunderschöne Tiere sind“, sagt Jalal. Und Angélique ergänzt: „Weil wir bevor wir uns kannten, wie zwei Raupen waren, die jetzt erst geschlüpft sind.“ Zusammen wollen sie eine Kunst, die die dunkle Seite der Welt kennt, aber deswegen nicht jammert, sich nicht verpuppt. Zu schön, um wahr zu sein? Wohl einfach nur viel zu selten.

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