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Die kleine Tafel von 1627 ist Rembrandts früheste bekannte Ölskizze, die er im Alter von nur 21 Jahren schuf. 

© Kunstmuseum Basel, Martin P. Bü

Symposium zu Rembrandt im Museum Barberini: Wie die Turbane auf die Köpfe kamen

Ein Symposium im Museum Barberini untersuchte am Donnerstag Rembrandts Blick auf den Orient. Im Juni 2020 folgt eine Schau mit 100 Werken.

Potsdam - Viele kennen sie: die Rembrandt-Bildnisse, auf denen bärtige Männer Turbane und schwere kostbare Gewänder tragen. Doch bislang ist unerforscht, warum diese orientalische Mode auf den Gemälden des berühmten Barockmalers Einzug hielt. Eine Ausstellung im Museum Barberini, die genau in einem Jahr zu sehen sein wird, bringt Klärung. Schon heute findet dazu ein Symposium statt, auf dem in sechs Vorträgen Rembrandt-Experten der Faszination des Exotischen in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts nachspüren.

Einer von ihnen ist Gary Schwartz aus den Niederlanden, der die Ausstellung kuratiert hat. Er ist mit Rembrandt bestens vertraut, schrieb unter anderem das Buch „Leben und Werk eines Genies“ über ihn. Nun kuratiert er erstmals gemeinsam mit Chefkurator des Museums Barberini, Michael Philipp, eine Ausstellung über die Alten Meister. „Schwartz beschreibt nicht, wie viele andere Experten, jede Gewandfalte. Er geht ins Leben hinein. Er sieht den Menschen Rembrandt als Mitglied der niederländischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts“, lobt Bodo Brinkmann. Er ist Kurator vom Kunstmuseum Basel, in dem die gemeinsam ausgerichtete Ausstellung nach Potsdam gezeigt wird.

Rembrandt sammelte exotische Gegenstände

Wie also sah es in den Niederlanden vor rund 400 Jahren aus? Woher kam der plötzliche Reichtum, die indische Seide, das chinesische Porzellan, die Tulpen und Muscheln, die den Markt überschwemmten und 150 Kunst- und Wunderkammern füllten? Auch Rembrandt richtete sich eine ein. In einem Katalog seines Hab und Guts, das 1656 unter den Hammer kam, sind beispielsweise indische Puderdosen, japanische Helme, zwei Löwenfelle und ein ausgestopfter Paradiesvogel notiert. Für die Forschung ist es also ganz dienlich, dass der Maler pleite ging und es diese Liste gibt. Der gefeierte Rembrandt verarmte, nachdem seine Frau Saskia mit nur 29 Jahren verstarb. Zuvor hatte das Paar drei seiner vier Kinder verloren. Rembrandt konnte nicht allein wirtschaften. 

Doch in seinen goldenen Zeiten steckte er mittendrin im gesellschaftlichen Glanz. Und dieser Glanz wurde kräftig durch die Seefahrt aufpoliert. Die Holländer booteten die Portugiesen aus, brachten von 1602 bis 1611 mit ihrer Flotte über 22 000 Tonnen Güter ins eigene Land. Und das in einer Zeit, in der ein Durchschnittshaushalt nur wenig Geschirr im Schrank hatte. Nun überschwemmten bis dahin unbekannte Porzellantassen auch die normalen Haushalte. Das Bürgertum veredelte noch mit ganz anderen Kostbarkeiten seine Wohnungen. Die Hälfte der niederländischen Schiffe blieben indes im „Orient“, belebten den innerasiatischen Handel. „Es war die erste Phase der Globalisierung“, so Michael Philipp.

Rembrandt-Experten: Michael Philipp, Gary Schwartz, Bodo Brinkmann (v.l.). 
Rembrandt-Experten: Michael Philipp, Gary Schwartz, Bodo Brinkmann (v.l.). 

© Ottmar Winter

Ein authentisches Asienbild?

Über die Importschlager bauten die Holländer ihr ganz eigenes „authentisches“ Bild zu Asien auf. Die Künstler sprachen mit größter Hochachtung über die fremde Kultur. Rembrandt zeigte sich so fasziniert, dass er ein ganzes Album mit indischer Miniaturmalerei kopierte und Motive daraus in eigene Radierungen übernahm. Besonders in biblischen Szenen waren orientalische Settings beliebt. Auch bei Rembrandt. Der Betrachter sollte sich in den „Orient“ versetzt fühlen. „Heute ist das Wort Orient durch die Kolonialpolitik belastet. Deswegen heißt unsere Ausstellung ,Rembrandts Orient’. Wir gucken mit Rembrandts Augen, was er als Orient ansah. Im 17. Jahrhundert war alles Orient, was nicht zu Europa gehörte. Selbst der Tabak aus Amerika hieß ,Orient’,“ so Michael Philipp. Und Gary Schwartz betont, dass das damalige Bild vom Orient damals sehr respektvoll ausgesehen habe. „Es gab keinerlei Karikaturen über die Leute aus dem fernen Osten.“

Der Lehrer von Rembrandt, Pieter Lastman – von dem in Potsdam auch Bilder zu sehen sein werden –, reiste zudem nach Venedig und Rom, um sich dort Porträts anzuschauen, die dortige Künstler von den Sultanen gemalt hatten. Und der venezianische Künstler Lorenzo Lotto kannte Teppiche aus dem „Orient“, deren Muster sich später in der Kleidung der Protagonisten auf niederländischen Gemälden wiederfanden. Gern malte man die Menschen auch zurückgelehnt in plüschigen Kissen, was als typisch orientalisch angesehen wurde. So auch Rembrandt 1638 in „Die Hochzeit von Samson“.

Porträts als Charakterstudien

Er selbst reiste nicht, sagte sich vielmehr: Der Orient kommt auch so zu mir, eben über importierte Teppiche oder Kunststiche, die es überall zu kaufen gab. Rembrandt betrachtete seine Figuren mit den Turbanen nicht als Porträts. „Für ihn waren es Charakterstudien“, sagt Schwartz. Etwa 100 Werke von Rembrandt und seinen Zeitgenossen werden im Barberini zu sehen sein und den einstigen Blick fürs Orientalische nachzeichnen. Noch stehen die Kuratoren mit Sammlern weltweit in Verbindung. Eine kleine Herausforderung für Potsdam ist indes, dass bereits in diesem Jahr zum 350. Todestag von Rembrandt große Ausstellungen stattfinden: so in Kassel und Amsterdam. 

„Aber wir bekommen eine repräsentative Auswahl von bedeutenden Werken Rembrandts und seiner Zeitgenossen“, ist sich Philipp sicher. Er hofft, dass die Ausstellung zudem darüber nachdenken lasse, mit welchen Klischees wir heute auf andere Kulturen schauen. „Unsere heutige Offenheit auf das Fremde spiegelt sich mehr in Speisekarten als in der kulturellen Begegnung wider. Damals hatte man ein wirkliches Interesse am Unbekannten.“ Gary Schwartz betrachtet die Ausstellung im Barberini, die vom 27. Juni bis 11. Oktober 2020 stattfindet, als Kompliment an die niederländische Kultur.

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