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Moderne. Frauen wie Jacoba van Heemskerck, hier ihre „Häuser in Suiderland“, revolutionierten die Kunst um 1900 maßgeblich mit.

© Schirn Kunsthalle/Norbert Miguletz

Symposium im Potsdam Museum: Museum ohne Männer

Ein Symposium im Potsdam Museum widmete sich der Rolle der Künstlerinnen in der Moderne. Wie wichtig waren sie, und wie benachteiligt. Klar, dass zu so einer Veranstaltung fast nur Frauen kamen. Oder?

Frauen, überall nur Frauen. So sehr man sich sonst freuen würde, so viele Wissenschaftlerinnen und andere schlaue Frauen auf einem Fleck zusammenzuhaben, so traurig war das am Freitag im Potsdam Museum. Nicht der Frauen selbst, sondern der fehlenden Männer wegen. Und weil hier die Realität mal wieder jedes Klischee übererfüllt hat. Beim ersten Symposium, das das Potsdam Museum überhaupt je ausgerichtet hat, ging es um die Künstlerinnen der Moderne, um Frauen wie Gabriele Münter, Käthe Kollwitz, Hannah Höch und Jeanne Mammen, die Potsdamerin Magda Langenstraß-Uhlig oder Julie Wolfthorn – die übrigens an diesem 8. Januar ihren 152. Geburtstag gefeiert hätte.

Es ging darum, dass ohne diese Frauen – von denen die meisten den meisten heute gar nichts mehr sagen – die Moderne, diese völlige Revolution der Kunst um 1920, gar nicht möglich gewesen wäre. Es ging, ganz grundsätzlich, auch darum, dass die gesamte Kunstgeschichte umgeschrieben werden müsste, weil sie – auch vorher – Künstlerinnen systematisch ignoriert hat. Dass sich dafür mal wieder nur Frauen interessieren, ist vielleicht der schönste Beleg dafür, dass diese Ignoranz fortwirkt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Kunst, zumindest für die Rezipienten, noch immer ein Frauen-Thema ist. 70 Prozent ihrer Besucher, sagte Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Frankfurter Schirn-Kunsthalle kürzlich im PNN-Interview, sind Frauen.

Zu emotional?

Also alles beim Alten: Die Männer malen, die Frauen gucken dankbar zu? So war es natürlich noch nie, und schon gar nicht um die vorletzte Jahrhundertwende. Da hatten sich die Frauen mühevoll den Zugang zu den Akademien erkämpft und erstritten sich auch die Teilhabe an den Künstlervereinigungen. Die von Max Liebermann gegründete Berliner Secession war die erste große, bei der Frauen von Anfang an dazugehörten, unter anderem Julie Wolfthorn. Die Villa Liebermann zeigt in diesem Jahr den zweiten Teil ihrer Ausstellung „Frauen der Secession“, ihr Direktor Martin Faass war denn auch der Erste, der beim Symposium am Freitag in Potsdam sprach. Und zeigte, dass auch konservative Großbürger, wie Liebermann einer war, das Talent der Kolleginnen erkennen konnten – selbst, wenn sie politisch so gar nicht mit dem Inhalt einverstanden waren. So schlug er schon 1898 Käthe Kollwitz für eine goldene Medaille vor, die im selben Jahr mit ihrem Weberzyklus – der die Verzweiflung der Menschen und die Revolte gegen ihre Arbeitgeber thematisierte – einen Durchbruch feierte.

Die Ausstellungen in der Liebermann- Villa und im Potsdam Museum sind derzeit nicht die einzigen zu dem Thema, auch die Frankfurter Schirn und demnächst auch die Berlinische Galerie zeigen die modernen Frauen. Trotzdem sei das, so Faass, keine konzertierte Aktion, sondern eher Folge eines Nachfrage-Phänomens. Sprich: Es gibt eben ein gesteigertes Interesse an den vergessenen Künstlerinnen. In der zu zwei Dritteln weiblichen Kundschaft des Kunstbetriebs sieht Faass einen auffällig emotionalen Zugang zum Thema – womit er natürlich einiges an Emotionen im Publikum provozierte. Denn dass Frauen zu emotional für dies und das sind, das ist ja eines der ältesten Argumente, um sie auszuschließen. Für Faass macht es dieser emotionale Zugang der Besucher – die Künstlerinnen würden zu Stellvertreterinnen der eigenen Kämpfe – den Museen schwer, Legenden und vorgefasste Meinungen zu durchbrechen. Etwa die, dass es in der Kunstgeschichte bis heute ein Kartell des Schweigens gegenüber den Malerinnen des 20. Jahrunderts gebe.

Die sozialen, nicht die Strukturen des Kunstmarkts sind schuld

Überproportional benachteiligt seien sie – statistisch gesehen – nicht, auch die These des Symposiums „Ohne diese Frauen gibt es keine Moderne“ nannte Faass schlicht falsch. Der eigentliche Skandal sei, dass es den Frauen schwergemacht wurde, Künstlerinnen zu sein – aber nicht, dass man ihre Rolle in der Entwicklung der modernen Malerei ignoriert hätte.

Klar, dass da einige der über 100 Besucherinnen etwas emotional reagierten. Vielleicht wäre es am einfachsten – und zugleich ist das offenbar am schwersten –, die Künstler einfach nach ihrer Qualität zu beurteilen und nicht nach dem Geschlecht. Das etwa machte um 1912 der Berliner Galerist Herwarth Walden – und zeigte dabei eine ganze Menge Frauen, die seine Kollegen damals mehr oder weniger ignorierten. Über ihn sprach am Freitag Ingrid Pfeiffer, euphorisch will sie angesichts des aktuellen Interesses an den Moderne- Malerinnen noch nicht sein. Im Vergleich mit dem, was sonst ausgestellt wird, sei das Interesse an ihnen immer noch relativ gering, sagt sie. Geändert hat sich für sie erst dann etwas, wenn auch in nicht frauenspezifischen Ausstellungen – egal zu welcher Epoche – auch die Frauen mit vertreten sind, die es eben gab. Solange die Qualität stimmt. Dass es diese Arbeiten gibt, daran ließ sie keinen Zweifel.

Und dass das Forschungsfeld noch riesig ist, wurde am Nachmittag klar, als es um die Biografien von Hannah Höch, Jeanne Mammen und Julie Wolfthorn ging. Vollgestopft mit neuem Wissen und noch mehr neuen Fragen – besser kann ein Symposium eigentlich nicht zu Ende gehen. Schön wäre es natürlich, wenn man gar nicht mehr über die Urheberschaft, sondern nur noch über die Kraft der Bilder selbst reden könnte – und das am besten auch noch mit Männern.

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