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Der Schauspieler Fabian Hinrichs lieh dem kanadischen UN-Generals Roméo Dallaire seine Stimme.

© Jelka von Langen/promo

Symphoniekonzert im Nikolaisaal Potsdam: Aufschrei, Klage und Anklage

Olivier Tardy, neuer Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker, gab mit dem Monodram „Der General“ und Musik von Beethoven im Nikolaisaal sein Potsdamdebüt. Eine außergewöhnliche Zeitreise mit Fabian Hinrichs und Bele Kumberger.

Potsdam - Das Politische kam erst mit Ludwig van Beethoven in die Musik. Als erster Komponist bezog er Stellung zu aktuellen Themen. Für die Ideale der Aufklärung – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – fand er derartig mitreißenden Ausdruck, dass die Hauptmelodie seiner neunten Symphonie heute als Europahymne verwendet wird.

Im Potsdamer Nikolaisaal setzte am Samstag, dem 19. September eine außergewöhnliche Aufführung mit den Brandenburger Symphonikern Beethovens Musik mit einem aktuellen politischen Vorgang in Szene. Das Melodram „Der General“ des englischen Autors Paul Griffiths verwebt Ausschnitte aus dem erschütternden Bericht des kanadischen UN-Generals Roméo Dallaire über den Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 mit einer Auswahl von Beethovens Musikstücken. 

Der renommierte Schauspieler Fabian Hinrichs gab eine knappe Einführung über die historischen Hintergründe, bevor er die Gedanken und Gefühle des UNO-Generals Dallaire aus dessen aufsehenerregendem Buch „Handschlag mit dem Teufel. Die Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda“ überzeugend vortrug. 

Der Individuum als Medium universeller Menschlichkeit

Als ranghöchster Vertreter der internationalen Friedenstruppen, der sogenannten Blauhelme, erlebte Dallaire das absolute Versagen der Vereinten Nationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit so viel Idealismus zur Sicherung des Weltfriedens gegründet worden waren. Paul Griffiths' rund fünfzig Minuten dauernde Collage ist keine mit Musik unterlegte Reportage, sondern Aufschrei, Klage und Anklage zugleich. Ganz im beethovenschen Gestus erscheint hier das Individuum als Medium einer universellen Menschlichkeit. Die Aufzeichnungen des UNO-Generals, der im Angesicht der humanitären Katastrophe zum Nichtstun verurteilt ist, bilden den Ausgangspunkt für einen persönlichen Aufruf an keine geringere als die menschliche Gemeinschaft insgesamt. 

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Mit großem musikalischen Feinsinn verbindet Paul Griffiths die gesprochenen Teile mit Abschnitten aus Beethovens Schauspielmusiken zum „Egmont“, „König Stephan“ und „Leonore Prohaska“.  Zwei Lieder der Klärchen aus dem „Egmont“ mit neuen Texten von Paul Griffiths bilden beim leuchtenden Gesang von Bele Kumberger ausdrucksvolle Kontrapunkte. Das Monodram endet mit der inspirierten Wiedergabe des zweiten Satzes aus Beethovens 7. Sinfonie unter der Leitung des neuen Chefdirigenten der Brandenburger Symphoniker Olivier Tardy, der damit zeigt, wie eindringlich, wie intensiv Beethovens Musik auch noch im 250. Jahr nach seiner Geburt wirken kann.

Babette Kaiserkern

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