zum Hauptinhalt
"Good. Better. Greta. oder Wer, wenn nicht wir?" am Hans Otto Theater, hier mit Gustav Heinlein.

© Thomas M. Jauk

Stück über Klimakrise am Hans Otto Theater: Herzallerliebste Kinder

Frank Abts Klimastück „Good. Better. Greta. Oder Wer, wenn nicht wir.“ holt neben dem Ensemble auch Jugendliche auf die Bühne - und liefert gute Gründe für ein entzündetes Gewissen.

Potsdam - Dieser Abend beginnt mit dem Offensichtlichsten. Dem Ende. Wer ein Theaterstück über das Klima macht, kommt an der ultimativen Katastrophe ja nicht vorbei: dem Ende der Welt, wie wir sie kennen. Weil der Regisseur dieses Abends aber Frank Abt heißt, kommt dieses Ende zum Auftakt ohne Donner daher, ohne zeigefingernde Drohgebärde, auf sehr leisen Sohlen. 

Es erscheint auf zwei Pappschildern. In die Höhe gehalten von zwei Jugendlichen in gelben Greta-Thunberg-Jacken. „Good.“ steht auf dem ersten Schild und lässt intuitiv, naiv, auf Steigerung hoffen. Auf dem zweiten Pappschild aber steht: „Bye.“ Die beiden Teenager lächeln dazu. Spöttisch?

Klimaexpertise am Hans Otto Theater

„Good. Better. Greta.“ heißt dieser Abend am Hans Otto Theater, richtungsweisender Untertitel: „Wer, wenn nicht wir“. Dieser Abend scheint zu wissen, was er will: überzeugen. Ausgedacht haben sich das der Regisseur Frank Abt und die Potsdamer Dramaturgin Natalie Driemeyer

Abt hat sich auf der Bühne schon mit Hesse, Handke und Dostojewski auseinandergesetzt, aber immer wieder auch Alltagsgeschichten gesammelt – unter anderem für das Deutsche Theater und die Produktion „Glaube Liebe Hoffnung“. Driemeyer, die mit Intendantin Bettina Jahnke ans Hans Otto Theater kam, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Frage, wie Theater und Klima künstlerisch zusammenkommen können – und zwar nicht erst, seitdem durch Greta Thunberg das Thema auch auf deutschen Bühnen en vogue wurde.

Theaterleute und Laien auf der Bühne

Das Potsdamer Stück wurde als „theatraler Dialog über das Klima“ konzipiert, aus einem umfangreichem Textkonvolut: vom Astronauten Alexander Gerst über Klima-Aktivistin Luisa Neubauer bis zu dem als ökologischer Marxist geltenden Andreas Malm, dessen Buch von 2020 den Titel trägt: „Wie man eine Pipeline in die Luft jagt“. 

Ähnlich vielfältig die Menschen, die in Potsdam auf der Bühne stehen: eine Mischung aus Ensemble-Mitgliedern des Hans Otto Theaters und Mitgliedern des hauseigenen Jugendclubs. Jung und Alt, erfahrene Theaterleute und Laien. Man wollte die Bühne offenbar nicht den Profis und omnipräsenten Klima-Expert:innen allein überlassen, sondern auch die Generation einbeziehen, die, wie es immer so schön heißt, mit den Konsequenzen einst leben muss – die Jugend. Wollte nicht nur „über“ reden, sondern auch „mit“.

Die Texte von anderen aufsagen

Vielleicht lässt es sich bei so disparater Bühnenerfahrung nicht ganz vermeiden, dass auch das Ergebnis ziemlich disparat ist. Trotzdem erstaunt, wie wenig die acht Jugendlichen hier mit ihrer eigenen Perspektive zu Wort kommen. Im ersten Teil sagen sie über weite Strecken vor allem die akribisch zusammengetragenen Texte auf, die andere zum Thema geschrieben haben. Tragen gefühlte Tonnen an Informationen zusammen, über produzierte Massen an Plastik, ausgestorbene oder vom Aussterben bedrohte Arten. Mal schulreferatsmäßig brav – später, was mehr Spaß macht, auch mal mit donnerndem, wütendem Karacho.

Da wird ein wissenschaftlicher Exkurs zur Geschichte des Kapitalismus von Schauspieler Hannes Schumacher und dem Schüler Liam Gohl im Wechsel vorgetragen, teils smooth und freundlich (Schumacher), teils mit drastischer Empörung (Gohl) – und wie unterschiedlich die gleiche Argumentation klingen kann, erzählt viel darüber, wie abhängig wir vom Ton überbrachter Nachrichten sind. Schumachers empathischer Sanftheit folgt man fast reflexhaft nickend, bis irgendwann die Stichworte „Rationalisierung“ und „private Planwirtschaft“ fallen. Ohne die werde es künftig nicht gehen – wenn man tatsächlich konsequent Energie sparen wolle.

Grünes Schrumpfen statt grünes Wachsen

Tja, und auch auf Flüge, sogar auf E-Autos werde man künftig leider, leider verzichten müssen. Wenn, ja wenn man es denn ernst meine mit dem oft beschworenen „grünen Wachstum“ – das, Hand aufs Herz, eigentlich ein „grünes Schrumpfen“ heißen müsse. Vom ewigen Wachstum, dem Fetisch des kapitalistischen Systems, müsse man sich verabschieden. Daher gebe es künftig zwar weniger Bürojobs, aber in der bitter nötigen Aufforstung künftiger Wälder würden dann ja zum Glück neue Arbeitsplätze entstehen. Zwanzig Minuten Verdauungspause.

Im zweiten Teil ist der in teilweise zäher Kleinarbeit faktenreich genährte Boden bereitet. „Good. Better. Greta“ kann, momentweise, abheben. Katja Zinsmeister referiert noch über die nigerianische Feministin Chimamanda Ngozi Adichie, Schauspieler Joachim Berger über die Suffragetten und deren Militanz – ohne die es, hört, hört, nie zum Frauenwahlrecht gekommen wäre. Wichtiger aber: Jetzt darf es endlich auch um die gehen, die sich hier mit den Theaterprofis in den Ring gewagt haben. 

Alles ist möglich?

Die beiden Teenager, die eingangs schon "Good Bye" gesagt haben, treten wieder auf. „Lieber Gustav aus der Zukunft“, sagt Gustav, und malt sich die 2060er Jahre aus. Greta Thunberg ist Bundeskanzlerin. Er selbst ist Filmstar geworden. Er hat gute Laune und viele Träume. Zwei Mädchen träumen von einer Zukunft, in der sie „jedem wieder in die Augen schauen können – auch den Tieren“. Ein anderer sagt über sein Ich der Zukunft: „Bisher hatte ich ein gutes Leben.“ Gemeinsam stürmen sie raus, ins Leben. Paul Sies singt am Klavier: „Alles ist möglich.“

Bevor man noch abgeklärt zu Ende lächeln kann über so viel Optimismus: Auftritt des Dramatikers Akin Emanuel Sipal. Sein Text, entstanden für die Potsdamer Produktion und vorgetragen von Sies, ist das schwermütige Herz eines insgesamt erstaunlich leichtfüßigen Abends. Ein Brief an die „herzallerliebsten Kinder“ aus dem Jahr 2076. Oxford ist nach Kasachstan umgezogen, Europa hat „sich selbst zermürbt“. 

Das Gewissen entzünden

Wie genau diese Zukunft sein wird, weiß der Text jedoch auch nicht – wie auch dieser Abend zu seinem Glück letztlich keine Agitprop liefert, keine finalen Handlungsanleitungen. Sondern, womöglich viel nachhaltiger, gründliche Selbstzweifel. „Wofür wir nicht alles gekämpft haben werden“, schreibt Sipal. „Aber nie in letzter Konsequenz. Immer so, dass das eigene Gewissen sich nicht entzündet. Wie im Theater: Ein bisschen Kritik, aber immer so, dass man zuhause nichts verändern muss.“

Wieder am 23. Und 29.1. sowie am 5. Und 11. Februar in der Reithalle des Hans Otto Theaters

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false