zum Hauptinhalt

Kultur: Sterne zählen

Bibelgeschichten der Kunstschule: Potsdamer interpretieren mit künstlerischen Mitteln Heilige Schrift

Die Bibel ist wahrscheinlich das meistgedruckte und am weitesten verbreitete Buch der Welt. Es gibt Gesamtübersetzungen in über 400 und Teilübersetzungen in weiteren mehr als 2000 Sprachen. Was liegt also näher – auch wenn man, wie hierzulande die Mehrheit, nicht gläubig ist – sich mit den Texten der Heiligen Schrift einmal eingehender zu beschäftigen? Das dachten sich auch die Lehrer und Kursleiter der Potsdamer Kunstschule und setzten dieses Vorhaben, Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament zu lesen und bildnerisch zu gestalten, am Ende dieses Jahres gemeinsam mit ihren 8- bis 80-jährigen Kursteilnehmern in die Tat um. Seit dieser Woche kann man im Treppenaufgang und auf zwei langen Fluren im Obergeschoss des Rathauses Babelsberg über 80 besondere Kunstwerke betrachten.

Dabei hat man gleich nach dem Eintreten den Eindruck, sich sowohl in einem Kirchenraum, als auch in einem Geschichtenbuch oder sogar auf einer Theaterbühne zu bewegen. Denn es gibt unter anderem eine Madonna und mehrere Heilige, die von Domfiguren der Gotik inspiriert sind, ein siebenteiliges, dem berühmten Zittauer nachempfundenes Fastentuch sowie Ikonen und Krippen zu bewundern. Diese Exponate stammen allesamt von Erwachsenen und zeichnen sich nicht nur durch Text-, sondern vor allem durch profunde kunstgeschichtliche Kenntnisse aus. Was aber erschaffen Grundschulkinder, die vielleicht zum ersten Mal mit dem „Buch der Bücher“ konfrontiert sind?

Unangefochtener Favorit in der Hitliste der Bibelgeschichten für die Jüngsten war, wie Kunstschulleiterin Thea Moritz auf der gutbesuchten Vernissage sagte, „Die Erschaffung von Adam und Eva“ – der Beginn der Menschheitsgeschichte. Bildschöne Paare auf riesigen, sehr grünen Malereien hängen gleich im Eingangsbereich. Auch wenn Schlange und Äpfel ebenfalls zu sehen sind, strahlen die Bilder eine wunderbare Naivität und geradezu paradiesische Anmut aus. Doch auch ein 13-Jähriger hat sich diesem Thema genähert und in seinem Bild sind die Widersprüchlichkeiten seines eigenen Lebensalters deutlich auszumachen.

Ziemlich losgelöst von den überlieferten Geschichten sind hingegen die Bilder, die beispielsweise vom kleinen Norbert handeln, der davon träumt, in Efeu verwandelt zu werden oder die wunderbaren Linolschnitte, auf denen Adam und Eva die Sterne zählen beziehungsweise die Schlange auf der Suche nach einem Apfel ist. Das ist wie die selbstverfassten „neuen“ Bibeltexte überaus originell und sehr anrührend. Richtig witzig ist hingegen ein riesiger Posaunenengel aus Pappmaché, der gerade noch mit einer Strippe an seinen rotbesockten Füßen vor dem totalen Absturz bewahrt wird.

„Jauchset, Froh Locket“ ist an ihm zu lesen und das können sowohl die Schöpfer als auch die Besucher der anregenden Exposition tun. Denn, das kann jeder mit eigenen Augen sehen, es hat sich in jedem Falle „gelohnt“, sich mit den christlichen Mythen und Symbolen zu beschäftigen. Und vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, zum Beispiel das neu geschaffene „Potsdamer Fastentuch“, das in schöner Klarheit Stationen aus dem Leben Jesu bebildert, einer Kindereinrichtung als Leihgabe zu überlassen. Nicht zur Missionierung der Jüngsten, sondern als Anregung zum Fragen und Geschichtenerzählen.

Ausstellung bis 15. Februar, montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr.

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite