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Der Cellist Steven Isserlis bei einer Probe im Potsdamer Nikolaisaal.

© Andreas Klaer

Star-Cellist gibt Einstand in Potsdam: Steven Isserlis begeistert in der Friedenskirche

Der Weltklasse-Cellist Steven Isserlis ist der neue Artist in Residence der Kammerakademie Potsdam. Am Sonntag stellte er sich mit einem ersten Konzert in der Friedenskirche dem Publikum vor - und betörte.

Potsdam - „Entschuldigung, wo gibt's denn noch Programmhefte?“ Unaufhörlich fragen die Besucher nach ihnen, um sich auf das Konzert der Kammerakademie Potsdam (KAP) am Sonntag in der Friedenskirche in Sanssouci einzulesen. Doch der Karton mit den Heftchen ist schnell leer gekauft. Nachschub gibt's keinen. Während jene Zuhörer, die ihre Karten bereits im Vorverkauf erworben haben, dem Startschuss für die KAP-Kirchenkonzertreihe entgegenfiebern, hat sich an der Abendkasse eine lange Schlange gebildet. Um sie abzubauen, bedarf es einiger Zeit. Da muss auch der berühmte britische Cellist Steven Isserlis, Solist des Abends und saisonaler Artist in Residence der Kammerakademie Potsdam, 15 lange Minuten auf seinen Auftritt warten. Danach nimmt der Mann mit dem graumelierten Lockenschopf nebst seinem Instrument podesterhöht auf einem Klavierhocker vorm Orchester Platz, dem Publikum den Rücken zukehrend. Dazu zwei Pulte, auf denen Notenblätter liegen.

Intensive Körpersprache, traumhaft schönes Legato

Bei ihnen handelt es sich um Joseph Haydns Sinfonie Nr. 13 D-Dur, die Isserlis als Leiter des musikalischen Geschehens energiegeladen, voller anspringender Lebenslust musizieren lässt. Nebenher spielt er im Tutti mit, gibt mit spontanen Kopfdrehungen, freier linker Hand und intensiver Körpersprache die Einsätze. Dabei sprudeln des Komponisten Einfälle nur so aus allen Instrumenten, garniert von kurz gehaltenen Paukenwirbeln. Für den zweiten Satz Andante cantabile dreht sich Isserlis zum Publikum, um nun das vom Orchester sparsam begleitete Cellosolo mit warmem, voluminösem Ton und empfindsamer Hingabe wie eine Romanze zu singen. 

An seinem traumhaft schönen Legato kann man sich nicht satt genug hören. Solist und Orchester sind auf gleicher Wellenlänge schwingende Partner, die das nachfolgende Menuett mit forscher bis heiterer Landlustimpulsivität und tirilierender Flötenzutat (Bettina Lange) genauso hinreißend musizieren wie das temperamentvolle Finale. Voll draufgängerischer Vergnüglichkeit, geschmeidiger Lebendigkeit, rasanter Klarheit, majestätischer Streicherwonnen und klangfarbenraffinierter Bläser sorgt Haydns Sinfonie Nr. 48 C-Dur „Maria Theresia“ für ein opulentes Finale.

Säuseln wie ein Zephyrwind

In diesem Haydn-Rahmen kommen die nur von Streichern garnierten Cellokonzerte von Carl Philipp Emanuel Bach und Luigi Boccherini zu besonderer Wirkung. Wie das von Sturm und Drang durchtoste Klanggeschehen des Bach- Opus sich im Gesicht des Cellisten widerspiegelt, ist genauso ein Erlebnis für sich wie die Leichtigkeit und Leidenschaft, mit der er die kniffligsten Passagen bewältigt. Dabei kann er auf den Saiten seines italienischen Meisterinstruments aus dem 18. Jahrhundert säuseln wie ein Zephyrwind, affektreich klagen und vor Energie nur so sprühen. Und bewegt sich körperlich so agil, dass man fast fürchten muss, er könne vom Hocker fallen. Auch im melodienseligen, der menschlichen Stimme nicht unähnlichen Boccherinischen Cellokonzert Nr. 7 G-Dur taucht der Solist in Gefühlstiefen ein. Da ist beschwingtes, farbenschillerndes Musizieren angesagt, seelenanrührende Intimität erforscht und tänzerische Leichtfüßigkeit vorgeführt. Ein Abend, den man nicht so leicht vergisst.

Peter Buske

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