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Malen während düsterer Zeiten: Sprottes "Novembergeschehen".

© Andreas Klaer

Sprotte und der Nationalsozialismus: „In seinen Selbstdarstellungen bleibt er immer unscharf“

Der Maler Siegward Sprotte war ein "aktiver Mitläufer". Thomas Kumlehn erklärt im PNN-Interview die Rolle des Malers in der Zeit des Nationalsozialismus - und seinen späteren Umgang mit den biografischen Fakten.

Im Potsdam Museum ist unter dem Titel „Die Welt farbig sehen“ noch bis einschließlich Sonntag eine große Retrospektive zum 100. Geburtstag des Potsdamer Malers Siegward Sprotte zu sehen. Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern wird Sprottes Lebenswerk in seiner Komplexität gezeigt: 175 Arbeiten, die von 1929 bis 2003 entstanden sind. Mit Beiträgen in loser Reihenfolge begleiten die PNN diese Ausstellung. Heute spricht der Kulturwissenschaftler Thomas Michael Kumlehn über Sprotte und seinen Umgang mit dem Nationalsozialismus.

Thomas Kumlehn, geboren 1959 in Potsdam, ist freiberuflich als Kurator und Kulturwissenschaftler tätig. Seit 2011 beschäftigt er sich mit privaten Künstlernachlässen im Land Brandenburg.

Herr Kumlehn, was wissen wir eigentlich über den Maler Siegward Sprotte in der Zeit des Nationalsozialismus?

Sehr wenig, weil Sprotte uns die Versionen seiner Autobiografie nachhaltig vorgeschrieben hat. Was bis zu seinem Tod im Jahr 2004, aber erstaunlicher Weise auch darüber hinaus, dazu führte, dass die Kolportage häufig die Forschung ersetzt hat. Sprottes Hang zur Selbst-Stilisierung und individuellen Mythenbildung war stärker.

Lesen Sie das vollständige Interview in der DONNERSTAGAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN

Hatte er denn mit Blick auf den Nationalsozialismus etwas zu verbergen?

Er hatte nichts zu verbergen. Nachfragenswert jedoch ist allemal, welches Verhältnis ein Künstler zum eigenen Werdegang hat – gerade innerhalb und nach einer Diktatur. Und Sprotte war in der ambivalenten Situation, dass er vor 1945 in Deutschland ein erfolgreicher Künstler war. Er hat 1937 sein Studium beendet und war schon 1938 in der Berliner Ausstellung zum Großen Staatspreis vertreten. Das ging dann seit 1939 weiter mit der mehrfachen Beteiligung an der Großen Deutschen Kunstausstellung und auch seit 1940 im Verein Berliner Künstler. Es ist inzwischen nachweisbar, dass dieser schnelle Erfolg ihn beflügelt hat. Er war 1938 gerade 25 Jahre alt. Es ist gut vorstellbar, dass Sprotte aufgrund des Erfolgs eben nicht nur von der „intensivsten Arbeitswut“ gepackt wird, wie er in einem Brief vom 27. Januar 1940 an den Schriftsteller Wilhelm Lehmann schreibt, sondern dass er sich als anerkannter Künstler sehr gefallen hat. Ärgerlich ist, wie gesagt, sein angestrengtes Bemühen nach 1945, sich mit biografischen „Fakten“ für die Zeit davor ein politisch korrektes Verhalten zu bescheinigen.

Heißt das, dass er für seine Karriere politische Entwicklungen nicht erkennen wollte, sie einfach ausgeblendet hat?

Kunst war Teil der Propaganda. Dieser Aufgabe hat Sprotte sich zuordnen lassen, weil er prominent ausstellen und verkaufen wollte. Seine noch 1938 geäußerte Absicht, als Zeichenlehrer sein Brot zu verdienen, hat er alsbald vergessen. Er war ein aktiver Mitläufer. Ich habe keinen Nachweis dafür, dass Sprotte ein bekennender Nazi war, verglichen mit sehr vehement für das System eintretenden Künstlern wie Wolf Willrich beispielsweise, mit dem er 1941 in München vertreten war und daraufhin auf einer Doppelseite in der von Alfred Rosenberg herausgegebenen Zeitschrift „Kunst im Deutschen Reich“ lobend Erwähnung fand.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Aus den Tagebüchern von Siegward Sprotte aus der Zeit von 1935 bis 1947 liest Michael Schrodt, Schauspieler am Hans Otto Theater, am heutigen Donnerstag, 19 Uhr, im Potsdam Museum, Am Alten Markt. Der Eintritt kostet 4 Euro

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