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Ruhelos: Ulrich Hutten alias Bernt Armbruster möchte schreiben, bis es nicht mehr geht.

© Andreas Klaer

Spannender Roman aus Potsdam: "Der Alp und die Kinder“

Eine Liebesgeschichte zwischen Stasi und RAF:  Der Roman „Der Alp und die Kinder“ von Ulrich Hutten aus Potsdam und Robert Morgenroth aus Wiesbaden ist spannend und sehr dich erzählt.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Eisblaue Augen, abgegriffenes Gesicht, starrer Blick: Die gruselige Puppe auf dem Cover von „Der Alp und die Kinder“ lässt einen Horrorroman hinter den Buchdeckeln vermuten. Doch das Buch von Ulrich Hutten und Robert Morgenroth ist nichts dergleichen. Vielmehr erzählt es in zwei parallel laufenden Geschichten von menschlicher Nähe, gesellschaftlichen Kluften und politischen Umwälzungen. Von Werner, der in der DDR ein angesehener Mitarbeiter der Stasi ist und mit der „Operation Stern II“ betraut wird.

Zehn RAF-Aussteiger werden in den 1980er Jahren unter einer neuen Identität von der Stasi in der DDR versteckt. Christine ist im Roman eine von ihnen. Werner soll sie betreuen, die beiden verlieben sich und beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Dass das nicht gut gehen kann, ist absehbar. 40 Jahre später trifft der Journalist Leonhard Ross Christine auf einem Campingplatz und dröselt nach und nach ihre Geschichte auf.

Barockes Schreiben musste er sich abgewöhnen

Es ist bereits das dritte Buch Huttens und Morgenroths, in dem Leonhard einer der Protagonisten ist. Gemeinsam mit seinem Freund Paul bildet das fiktive Gespann das Alter Ego des Autorenteams. Ulrich Hutten und Robert Morgenroth, das sind eigentlich der Potsdamer Bernt Armbruster und sein guter Freund Manfred Gerber aus Wiesbaden. Beide Autoren waren lange Zeit journalistisch tätig, haben sich dabei kennengelernt. Armbruster arbeitete außerdem an der Universität Kassel, unter anderem als Akademischer Direktor und Leiter der Abteilung Kommunikation und Internationales.

Mit einer Krimikurzgeschichte von Gerber fing die schriftstellerische Zusammenarbeit an, sie wurde 2015 der Anfang des ersten gemeinsamen Buches „Die letzte Dorade von Saint Philibert“. Der Umstieg vom journalistischen und wissenschaftlichen Schreiben hin zum Roman, sei gar nicht so leicht gewesen, wie Bernt Armbruster erzählt. Allerdings hätten sie von Anfang gute Lektorinnen gehabt. Zunächst seine Nichte, beim zweiten Buch „Gnade Gott. Oder: Die letzten Worte des Doktor Martin Luther“, das 2017 erschien, hat die Potsdamer Autorin Christine Anlauff die ersten Fassungen gelesen. „Sie war ganz schön streng“, sagt Armbruster, der 1947 in Tübingen geboren wurde und seit 2009 in Potsdam lebt. „Aber wir haben viel von ihr gelernt.“ Alles Barocke wegzustreichen beispielsweise, das Ausufernde und Ausschmückende. „Das kam erst mit der Zeit. Ich glaube, der dritte Roman ist dahingehend am besten gelungen.“

Bernt Armbruster im Gespräch mit den PNN.
Bernt Armbruster im Gespräch mit den PNN.

© Andreas Klaer

Kaputte Figuren, dichte Spannung

Tatsächlich ist „Der Alp und die Kinder: Oder: Eine andere Welt ist möglich“, der im Januar im Eigenverlag erschien, in einer sehr verdichteten, klaren Sprache geschrieben. Barocke Poesie findet sich höchstens in den Liebesszenen: „...dass sie zusammen abhoben und miteinander durch die Nacht flogen, tanzten, bis der Schlaf sie einholte und mit tausend Märchen umfing“, heißt es beispielsweise an einer Stelle. Irgendwie passt das aber auch zu den Figuren des Romans. Zu Werner und Christine, die beide keine Sympathieträger sind, die aus unterschiedlichen Welten kommen und sich hier nun finden.

Dieses Finden ist Armbruster besonders wichtig. Das Überwinden von Grenzen, von Konflikten. Nirgends passiere das direkter als zwischen zwei Liebenden, wie er sagt. In diesem kleinen Mikrokosmos, in dem man zwar der Welt, aber nicht einander entkommen kann. Das Aufzuzeigen gelingt in „Der Alp und die Kinder“ gleich doppelt. Denn nicht nur Werner und Christine blühen nur so richtig in ihrer Zweisamkeit auf. Auch der alternde Journalist Leonhard muss wieder einen Raum finden, in dem er sich nicht nur selbst bemitleidet. Kaputte Figuren sind sie alle drei. Figuren, die um sich schlagen, falsche Entscheidungen treffen und denen man trotzdem oder gerade deswegen gerne folgt. „Die Geschichte muss sich immer an ihnen entlangbewegen, sonst wird es nichts“, sagt Armbruster, für den die Geschichten um Leonhard und Paul nun abgeschlossen sind.

„Ich schreibe, bis ich in die Kiste springe"

Das heißt aber nicht, dass auch das Schreiben für ihn abgeschlossen ist, im Gegenteil: „Ich schreibe, bis ich in die Kiste springe und fühle mich auch sehr privilegiert, dass das geht.“ Ideen für einen neuen Roman mit Manfred Gerber sind schon da, Lyrik möchte Armbruster schreiben, Songs ebenfalls und Gute-Nacht-Geschichten. Die könnte er sich auch in kurzen Vorlesevideos vorstellen, auf seinem YouTube-Kanal vielleicht. Viel ist dort noch nicht zu sehen, immerhin eine kurze Lesung und ein Konzert. Saxophon spielt Armbruster nämlich auch.

Und was hat es nun mit dieser Gruselpuppe auf dem Cover auf sich? „Nun, sie ist zuallererst ein Eyecatcher“, sagt Armbruster und lacht. Sie stehe aber auch für den Schmerz, den die unterschiedlichen Generationen im Roman einander vererben. Eltern-Kind-Konflikte, die jede der Figuren umtreibt. „Es geht um das Leben“, sagt Armbruster schlicht. Und das sei eben nicht selten gruselig. 

— Ulrich Hutten, Robert Morgenroth: Der Alp und die Kinder. Oder: Eine andere Welt ist möglich. Eigenverlag, 2020, 211 Seiten, 16,80 Euro,  Taschenbuch. Bestellbar auf: https://huttenundmorgenroth.de

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