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Skulpturenpfad in Potsdam: Der „Berserker“ auf dem „Walk of Modern Art“

Potsdams Skulpturenpfad „Walk of Modern Art“ hat eine neue Attraktion: Die Bronzefigur „Berserker“ der Künstlerin Stella Hamberg steht nun an der Alten Fahrt.

Potsdam - Vielleicht schwingt er ein Mordinstrument, eine Keule, ein schweres Tau, einen gebogenen Baumstamm. Mit ebenmäßigem Gesicht, eingerahmt von einem Backenbart, den Blick hochmütig erhoben, steht der hünenhafte Mann aus Bronze am Wasser der Alten Fahrt.

Für drei Jahre soll die Skulptur „Berserker“ von Stella Hamberg Teil des „Walk of Modern Art Potsdam“ sein. Kulturbeigeordnete Noosha Aubel (parteilos) weihte zusammen mit Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, und der Künstlerin die Skulptur am Samstag ein. „Wir hoffen auf eine Verlängerung nach den drei Jahren“, sagte Aubel. Ermöglicht hat die Aufstellung der Skulptur auch das Engagement von Renate Grisebach, Mitglied im Kulturbeirat.

Unnahbar und doch faszinierend

Der Kunstpfad „Walk of Modern Art Potsdam“ verbindet am Wasser das Kulturzentrum rund um den Alten Markt mit der Schiffbauergasse. Der „Berserker“ ist die achte Skulptur von insgesamt 14, die laut Plan aufgestellt werden sollen. Wie schon der „Krieger“ von Armando fokussiert auch der „Berserker“ auf ein martialisches Geschehen. Während der „Krieger“ allerdings jede kämpferische Attitüde abgestreift hat, ist der „Berserker“ eine ambivalente Figur. Volle Lippen, eine hohe Stirn und ebensolche Wangenknochen, der Blick eher ein Starren als ein Schauen, erscheint das Gesicht unnahbar und doch faszinierend. Die kräftigen Hände umfassen das Werkzeug, die Bekleidung ist zerfleddert, zerrupft, die Füße enden womöglich in teufelsgleichen Klauen. Die ganze Erscheinung kündet von einer bizarren Schönheit und ist zugleich in ihrer übermütigen, über alles erhobenen Arroganz abstoßend wie ein ferner, zürnender Gott.

Ausgezeichnete Künstlerin

Es sei ihre erste Skulptur , die im öffentlichen Raum aufgestellt werde, sagt die Bildhauerin. Das erstaunt, ist Hamberg doch eine profilierte Künstlerin und das Material mit dem sie arbeitet, die Bronze, eines das klassischerweise mit der Figur im öffentlichen Raum verknüpft ist. Ihr Studium schloss Stella Hamberg 2006 als Meisterschülerin von Martin Honert an der Hochschule für Bildende Künste Dresden ab, sie nahm an zahlreichen Ausstellungen teil und erhielt 2018 den Marianne-Werefkin-Preis der Kommunalen Galerie Hohenzollerndamm Berlin.

Die meisten ihrer Figuren befänden sich in Sammlungen, privat und öffentlich, so Hamberg. Der „Berserker“ sei die erste größere Figur nach dem Studium gewesen, die sie habe realisieren können. Sie entstand im Jahre 2007 mit Hilfe eines skandinavischen Mäzens – denn Bronzeskulpturen sind teuer. Die etwa zweieinhalb Meter hohe Figur dürfte schon in der Herstellung eine erkleckliche fünfstellige Summe gekostet haben, vermutet ein anwesender Kurator, ganz zu schweigen vom Wert als Kunstwerk.

Hambergs klassisch dreidimensionale Figuren faszinieren den Betrachter durch ihre Präsenz und virtuose Ausführung. „Trance“ und „Nacht“, benennt sie ihre Skulpturen oder auch „vom Verrecken und der absoluten Unmöglichkeit zu sterben 2 - der Gefährte“. Die Titel verweisen gelegentlich auf schwer Greifbares, auf unbestimmte Seinszustände, die nur mit der Kunst zu fassen sind.

Pure Existenz

„Mich hat immer die Sprache der Plastik begeistert. Die wollte ich beherrschen und hier Grenzen überschreiten, wenn das möglich ist“, sagt die 1975 geborene Künstlerin. Zunächst habe sie eine Bildhauerlehre abgeschlossen, um dann Bildhauerei zu studieren und schließlich ihre großen Bronzeskulpturen zu realisieren. Doch sie sei auf kein Material festgelegt, widme sich gerade wieder Holz, Eisen und anderen Materialien neben der Bronze. „Das polare Ding in der Skulptur ist es, was mich interessiert. Die Spannung von Bewegung und Gegenbewegung, Bewegung und Stillstand“, so Hamberg. Die Erschaffung einer Figur sei immer die Suche nach der richtigen Form, dem stimmigen Ganzen. Der „Berserker“ habe sie interessiert, weil in der Figur Gegensätze vereint seien und in ihrer Handlung widersprüchliche Tendenzen zu einem Endpunkt kämen. „Das ist pure Existenz, außer dem Moment gibt es gar nichts mehr“, beschreibt sie den Bewusstseinszustand, in dem sich der Berserker befindet.

Woher der Begriff stammt, der mit exzessivem kriegerischem Handeln assoziiert wird, ist unklar. Auch was den Berserker antrieb – der drogeninduziert Rausch oder die selbst suggerierte unbedingte Entschlossenheit im ausufernden Scharmützel – ist nicht geklärt. Hambergs Bronze jedenfalls ist eine mythische, der Realität enthobene Figur, die sich direkt aus dem Unterbewussten materialisiert zu haben scheint. Auch andere Künstler arbeiteten zur Figur des Berserker, zum Beispiel Ernst Barlach und Frank Frazetta. „Mir geht es nicht darum, irgend etwas zu illustrieren. Kunst kann Lebenswirklichkeiten abbilden und kommentieren und eine sehr flexible Sprache sein“, sagt Stella Hamberg. Das finde sie spannend. Immer wieder.

Richard Rabensaat

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