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Kultur: Sich der Kritik stellen

Veranstaltungsprogramm im Lepsius-Haus startet

Fast schon überliest man dieses Zeichen. Dabei hat es enorme Signalwirkung. Wenn am kommenden Samstag, dem 28. Mai, mit der Lesung orientalischer Novellen von Armin T. Wegner das diesjährige Veranstaltungsprogramm im Lepsius-Haus eröffnet wird, wirkt das wie ein äußerst bescheidener Auftakt. „Der Sturm auf das Frauenbad“ und „Der Knabe Atam“, so die Titel der beiden Novellen. Und wer den Namen Armin T. Wegner noch nie gehört hat, könnte glauben, der Leser werde hier in ein literarisch-romantisiertes Osmanisches Reich entführt. Doch Wegner, der als Sanitätssoldat im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stationiert war, hat in Ost-Anatolien die Vertreibung und Ermordung der Armenier durch dieTürken miterlebt. Und diese Erfahrungen hat er in den beiden Novellen verarbeitet, die am kommenden Samstag im Lepsius-Haus gelesen werden. Lesen wird „Der Sturm auf das Frauenbad“ und „Der Knabe Atam“ der Schauspieler und Übersetzer Recai Hallalc. Mit Hallac liest ein gebürtiger Türke Novellen, die den Völkermord an den Armeniern thematisieren, obwohl der türkische Staat noch immer nicht von einem Völkermord sprechen will. Ein kleines Zeichen, aber von enormer Signalwirkung.

Es ist ein anspruchsvolles Programm, das in den kommenden Monaten im Anfang Mai eröffneten Lepsius-Haus in der Weinmeisterstraße angeboten wird. Das Programm, das neben Lesungen auch wissenschaftliche und politische Vorträge und Gespräche an Runden Tischen umfasst und bei Interesse auch für Schulen Workshops oder Wochenendseminare zu den Themen Johannes Lepsius anbietet, sieht sich dem Namensgeber verpflichtet, der sich intensiv für das armenische Volk einsetzte. So wird im Juni die Berliner Historikerin und Islamwissenschaftlerin Elke Hartmann über „Freiheit – aber welche? Armenische Politik in der Spätzeit des Osmanischen Reiches zwischen Utopie und Realismus“ sprechen.

Anfang Juni findet dann im Lepsius-Haus die deutsche Erstvorstellung des Buches „Extrem gewalttätige Gesellschaften: Massengewalt im 20. Jahrhundert“ im Beisein des Autors Christian Gerlach statt. Und im Oktober wird die internationale wissenschaftliche Tagung „Vom Völkermord-Tribunal wider Willen zum Internationalen Strafgerichtshof“ veranstaltet. Aber auch Johannes Lepsius selbst ist eine Reihe gewidmet. Eine Reihe, die sich auch kritisch mit der Person Lepsius auseinandersetzen will, wie Rolf Hosfeld vom Vorstand im Lepsius-Haus sagt.

„Johannes Lepsius, Facetten einer Biografie“ heißt die Reihe, die erst im Dezember dieses Jahres eröffnet wird, sich dann aber unter dem Titel„Antisemitismus bei Johannes Lepsius?“ gleich mit einem kritischen Thema beschäftigen wird. Denn neben einer antidemokratischen Einstellung, einem Hang zum deutschen Nationalismus und der Fälschung von Dokumenten wird Lepsius von Kritikern auch Antisemitismus vorgeworfen. „Mit diesen Vorwürfen wollen wir uns auseinandersetzen, uns dieser Kritik stellen“, sagt Hosfeld. Dirk Becker

Weitere Infos im Internet

www.lepsiushaus-potsdam.de

Dirk Becker

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