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Serie: Wir sind wie ihr

Kaiserdämmerung! Zwischen Monarchie und Republik: Die PNN starten eine Serie zur Ausstellung im Neuen Palais. Heute: Ein Porträt der kaiserlichen Familie von 1913. Was es uns sagt:

Potsdam - Die Kaiserdämmerung brach an, als abzusehen war, dass der Erste Weltkrieg nicht zu gewinnen ist. Bis dahin hatte Kaiser Wilhelm II. den größten Teil seines Volkes hinter sich gehabt. „Bis zu meinem achten Lebensjahr in Berlin waren wir Untertanen“, erinnert sich der Schriftsteller Stephan Lackner (1910–2000) an seine Kindheit. „Wenn Wilhelm der Zweite im offenen Auto mit Hupendreiklang – ,Der Kaiser kommt!’ – Unter den Linden dahin brauste, standen die Zivilisten auf den Bürgersteigen stramm. Sie fühlten sich enorm geehrt, Untertanen sein zu dürfen.

Das Volk war erpicht, die Anwesenheit des regierenden Monarchen in den eigenen vier Wänden sichtbar werden zu lassen. Wilhelm II., seine Frau und die Familie trugen ihren Teil dazu bei, dass das Kaiserhaus in der Bevölkerung stets präsent war. Mit der modernen Fotografie, die 1839 erfunden wurde, konnte man mit einer willkommenen Technik schnell und preiswert Porträtaufnahmen anfertigen und sie unter die Leute zu bringen.

"Wir sind wie die Untertanen"

Mit opernhaftem Pomp stellte sich der deutsche Kaiser ins Bild. In dieser Hinsicht hatte er wahrlich keine Minderwertigkeitskomplexe, nicht bei Porträtaufnahmen und nicht bei seinen zahlreichen Machtdemonstrationen, bei Paraden und Manövern. Es sollte auch auf dem Bild überdeutlich werden: Ich bin der oberste Kriegsherr und der Oberbefehlshaber der deutschen Armee. Aber es gibt auch das private Bild des Monarchen. Gemeinsam mit seiner Frau Auguste Victoria, den Söhnen, der Tochter, den Schwiegertöchtern und weiterem verwandtschaftlichem Anhang sollte deutlich gemacht werden: Wir sind wie ihr, liebe Untertanen, eine bürgerliche Familie.

Die Fotografie aus der Ausstellung „Kaiserdämmerung“, die das am deutlichsten macht, entstand am 15. Juni 1913, in einer Zeit, in der der Kaiser in einer geborgenen Idylle lebte. Er wusste einen großen Teil des Volkes hinter sich. Das Neue Palais, der Protzbau Friedrichs des Großen nach dem Siebenjährigen Krieg, gehörte zur beliebten Hauptresidenz Wilhelms II. und Auguste Victorias. Im und am Schloss entstanden viele Aufnahmen von privaten und diplomatischen Anlässen. Das Familienbild vom Juni 1913 scheint einer gewissen Ungezwungenheit Raum zu geben. Man sitzt auf den Stufen vor dem Neuen Palais. Der offizielle Status scheint den Anwesenden in diesem Moment nicht wichtig zu sein. Nur das „hohe Paar“, der Kaiser und die Kaiserin, halten stehend „die Hand über die Familie“, milde lächelnd.

Wilhelm selbst wollte Einfluss auf die Form und den Inhalt des Bildes haben. Für das Familienbild vor dem Neuen Palais wählte er den Potsdamer Fotografen W. Niederastroth, der für das Atelier Selle und Kuntze tätig war. Mitglieder der Hohenzollern-Familie wurde immer wieder das Objekt seines Fotografierens.

Die Fotografen schmückten sich mit dem Kaiser

Dem Kaiserpaar standen viele Hoffotografen zur Verfügung. Ihre Zahl wird auf mindestens zwanzig geschätzt. Die Fotografen waren allerdings keine Angestellten des Kaiserhauses, sie wurden von Fall zu Fall an den Hof gerufen. „Eine warme Empfehlung von Angehörigen des Fürstenhauses war jedenfalls nicht zu verachten“, schreiben Saskia Asser und Liesbeth Ruitenberg in „Der Kaiser und das Kino“. „Die meisten Fotografen schmückten sich dann auch oft damit, in dem sie es ausdrücklich in ihrer Signatur, in Anzeigen und auf der Rückseite ihrer Fotos angaben. Der Kaiser wählte die Fotografen meistens nach ihrer Spezialisierung aus.“

Auguste Victoria, die Frau Wilhelms II., hatte sieben Kinder geboren: den Kronprinzen Wilhelm sowie die Prinzen Eitel Friedrich, Oskar, August Wilhelm, Adalbert, Joachim und Prinzessin Viktoria Luise. Die Frau des Kronprinzen, Cecilie, gehörte wegen ihrer Attraktivität und ihrer Intelligenz zu den populären Mitgliedern der Familie, auch nach 1918. Auf dem Foto sitzt sie in der ersten Reihe neben ihrem Mann Wilhelm und dem Prinzen Eitel Friedrich (links), der sich bei seiner Schwägerin unterhakt. In der ersten Reihe links hat auch der jüngste Sohn des Kaiserpaares, Prinz Joachim, Platz genommen. Er wurde nur 30 Jahre alt. Nach einem Suizidversuch starb er am 18. Juli 1920. Der Prinz konnte das Ende der Monarchie 1918 nicht überwinden, auch die Scheidungswünsche seiner Ehefrau nicht. Zunächst wurde er in der Friedenskirche beigesetzt, elf Jahre später im Antikentempel im Park Sanssouci, neben seiner Mutter, die 1921 starb und unter großer Anteilnahme der Potsdamer Bevölkerung beigesetzt wurde.

Einschmeicheln bei den Nazis

Die anderen Geschwister versuchten nach dem Schock über den Zusammenbruch der Monarchie mit der neuen Situation der Machtlosigkeit und eingeschränkter finanzieller Mittel mehr oder weniger zurechtzukommen. Bei den Nationalsozialisten versuchten der Kronprinz und August Wilhelm sich einzuschmeicheln. Sie hofften anfangs in aller Naivität, dass Hitler das Kaiserreich wieder etablieren würde. Prinz August Wilhelm wurde ein glühender Anhänger Hitlers und sogar SA-Ortsgruppenführer. Sein Bruder Eitel Friedrich lehnte dagegen den Nationalsozialismus vehement ab.

Nach seiner Abdankung als Kaiser scheint es für Wilhelm in seinem Exil im holländischen Doorn in Sachen Fotografieren ruhiger geworden zu sein. Manchmal verirrten sich ein paar Paparazzi und bestellte Fotografen, um ihn bei seiner Beschäftigung als Holzhacker auf’s Bild zu bannen. Doch erst in den 1950er-Jahren interessierten sich die Deutschen wieder mehr für ihre Royals. Die Illustrierten und Zeitungen füllten sich wieder mit Geschichten und Fotos aus dem Leben der Kaiserfamilie. Der Chef des Hauses fehlte. Er starb 1941 und war, so hieß es, auf dem Foto eine „schöne Leiche“.

„Kaiserdämmerung: Das Neue Palais zwischen Monarchie und Republik 1918–1927“, zu sehen bis 12. November im Neuen Palais

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