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Kultur: Sephardisch, magisch, gut

Semitones in der Babelsberger Friedrichskirche

Eigentlich haben sie viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede – da sind sich die Mitglieder der Band Semitones einig. Eine Aussage, die gerade für eine israelisch-deutsch-algerische Besetzung nicht mal so locker daherkommen mag: Sephardische Musik macht das Quintett um Pianist Max Doehlemann, ein musikalischer Hybrid aus islamischen und jüdischen Elementen, die mit europäischen Jazz-Zutaten vermengt werden – interkulturell und vor allem interkonfessionell. Semiten seien sie ja alle, und das finde man dann eben auch im Bandnamen wieder. Semitische Halbtöne, so also könnte man das Wortspiel interpretieren.

Am Donnerstagabend spielten die Semitones ein Konzert in der Babelsberger Friedrichskirche, eingerahmt von viel Gesang natürlich, aber auch Flügel, Kontrabass (Christian Schantz), Schlagzeug (Martin Fonfara) und einem ganzen Sammelsurium von Saiteninstrumenten aus der Sammlung des deutsch-algerischen Musikers Momo Djender.

Um die Einflüsse sephardischer Musik, also die jener Juden, die ursprünglich auf der iberischen Halbinsel lebten und deren Diaspora sie später durch ganz Europa führte, auseinanderzupflücken, muss man schon Experte sein; die Musiker sind es, für die Zuhörer war es jedoch gewiss etwas ganz Neues: Zarte Stilbrüche kennzeichneten das Konzert, ein Hybrid aus orientalischen Elementen und Jazz, mal Caféhaus, dann wieder nordafrikanisch. Und mit dieser tollen Stimme der jüdisch-türkischen Sängerin Hadass Pal Yarden, in den Duetten mit Momo Djender.

Frappierend, dass sich Arabisch und Hebräisch in der Darbietung doch recht ähnlich waren, die Stimme als Instrument mitsamt aller Koloraturen. Dabei nahm die Band ganz traditionelle, teilweise aus dem Mittelalter stammende Kompositionen und interpretierte sie kurzerhand um. „Arab Klezmer“ fiel als Metapher, und das traf es natürlich ganz gut, ein Neologismus, der für eine erfrischende Neuerfindung steht. Zu der auch seltsame Instrumente gehören, die Multitalent Momo Djender der ungnädigen Kälte der Kirche aussetzte: etwa eine algerisch-marokkanische Art Bassgitarre, die mit Tierhaut bespannt war. Die spielte er auch wie einen Bass, während Schlagzeuger Fonfara ihn jazzig begleitet: ein beeindruckendes Duett, das mit seiner psychedelischen Wucht auch experimentelle Musiker wie einst Led Zeppelin imponiert hätte.

Schade eigentlich, dass das Konzert ein unfreiwilliger Hauch von Exklusivität umwehte: Während am Vorabend in Bielefeld in der ausverkauften Rudolf-Oetker-Halle gespielt wurde, fanden sich in der Friedrichskirche lediglich zwei Handvoll Besucher ein. Da kann man sich jetzt natürlich darüber ärgern, etwas Großes im kleinen Kreis verpasst zu haben. Oder man hört sich einfach die Aufzeichnung des Bielefelder Konzertes an. Das läuft am kommenden Mittwoch, dem 18. Januar, in voller Länge ab 20 Uhr im Radio auf WDR3. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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