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Kultur: Sensibel

Die Dokumentarfilmerin Petra Tschörtner ist tot

Bereits ihr Diplomfilm „Hinter den Fenstern“ von 1983 – eine sensible Alltagsbeobachtung dreier Paare in einem Potsdamer Hochhaus – fiel auf. Dieser Dokumentarfilm von Petra Tschörtner ist einer der wichtigsten Studentenfilme der Zeit. Die Regisseurin lässt darin drei junge Paare aus einem Potsdamer Neubaublock über ihr Leben, ihre Träume und Enttäuschungen berichten. Bereits der Titel verdeutlicht die Diskrepanz zwischen der propagierten heilen (Familien-)Welt und jener, die im Privaten stattfindet. Ein anonymer Neubaublock offenbart sich als vielgestaltiges Kaleidoskop menschlicher Hoffnungen und Enttäuschungen. „Durch die aufgeschlossene Position der Filmemacherin zu ihren Gesprächspartnern ergeben sich immer wieder überraschende Einblicke in das Selbstverständnis durchschnittlicher DDR-Mentalität“, schrieb ein Kritiker. Der Film wurde 1983 in Oberhausen mit einem der Hauptpreise prämiert.

Petra Tschörtner gehörte neben Helke Misselwitz und Sibylle Schönemann zu den wichtigsten Filmemacherinnen der letzten Defa-Generation. Am vergangenen Mittwoch ist sie im Alter von 54 Jahren gestorben. Wie die HFF am gestrigen Dienstag mitteilte, findet am Sonntag, dem 19. August um 18 Uhr, im Filmmuseum eine Gedenkveranstaltung für Petra Tschörtner statt. Gezeigt wird „Berlin-Prenzlauer Berg“ von 1990. Darin schildert sie Begegnungen in den drei letzten Monaten vor der Währungsunion.

Bereits als Kind beschäftigte sich Petra Tschörtner im Pionierfilmstudio auf dem Babelsberger Studiogelände mit dem Film. Nach dem Studium an der HFF ging sie als Regieassistentin zunächst zum DEFA-Spielfilmstudio, entschied sich dann aber für den Dokumentarfilm. Gemeinsam mit Angelika Andrees drehte sie 1978 den Film „Im Heim“, der über die Einsamkeit der Heimbewohner erzählt und keine Zulassung erhielt. Erst 1990 wurde er bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen aufgeführt. Die Regisseurin arbeitete bis 1991 im Defa-Dokfilmstudio. Als das Studio aufgelöst wurde, wechselte sie in die Freiberuflichkeit. Petra Tschörtner hat das Filmemachen nie aufgegeben, aber hin und wieder unterbrochen, um ihre Erfahrungen an Studierende weiterzugeben. 1991 und 1996 kehrte sie für Lehraufträge an die HFF zurück. 1995/96 war sie dort Gastprofessorin für Dokumentarfilm.

Tschörtner porträtierte immer wieder Menschen im Alltag: in „Meine Mutter ist Lehrerin“ (1986) eine Pädagogin, geschieden, alleinerziehend. In den letzten Tagen der DDR beschäftigte sich die Regisseurin mit den sozialen Missständen im Land. In „Unsere alten Tage“ (1990) ging sie der Frage nach, wie es den alten Leuten in der DDR ergeht. Nach der Wende sind Kinder und Jugendliche immer wieder die Protagonisten ihrer Filme. In „Sunny“ (1992) porträtierte sie die Tochter eines Straffälligen. In „Kinder der Steine“ (1994) erzählte sie über den 14-jährigen Nael, der im Flüchtlingslager Rafah lebt und mit ansehen muss, wie seine Mutter und die Brüder angeschossen wurden und wie sein bester Freund durch eine Kugel ums Leben kam. Bei ihrer Suche nach der eigenen Vergangenheit ging Petra Tschörtner sehr weit. In „Mamor, Stein und Eisen“ (1994) folgte sie den Spuren ihrer Babelsberger Seminargruppe. In den letzten Jahren war sie als Regieassistentin vorwiegend für Fernsehspiele und Serien tätig.JÄ

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