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Kultur: Selbsterfahrungstrips

Das Waschhaus eröffnet heute ein Filmfestival, das ohne Filme auskommt

Mit seiner Veranstaltungsreihe „Theartof“ unternimmt das Waschhaus in diesem Jahr einen cineastischen Schlenker, weg von der Musik. Lag der Fokus der vergangenen Jahre noch auf einzelnen Musikinstrumenten, scheint jetzt der Film in den Mittelpunkt gerückt zu sein. Wir erinnern uns: Mit „The Art of: Piano“ startete die Reihe im Januar 2014, damals mit an Bord Pianisten wie Aki Takase, Alexander von Schlippenbach, Iiro Rantala und das Martin Tingvall Trio. Im Jahr darauf widmete man sich der Gitarre: Claus Boesser-Ferrari und Uwe Kropinski spielten sich die Finger wund, und das Highlight gab es in der Arena: Der US-amerikanische Fingerpicking-Gott Andy McKee, einer der schillerndsten Gitarristen der Gegenwart, zelebrierte dort eine gewaltige Messe.

Jetzt also „The Art of: Movies“. Wer dabei an einen klassischen Filmabend denkt, irrt jedoch gewaltig: Wie der Untertitel verrät, soll es in diesem Minifilmfestival „Alles außer Filme“ geben – und tatsächlich steht kein Film auf dem dreitägigen Programm. Die zu erwartende Kinosessel-Atmosphäre wird hier durch die Metaebene ersetzt: Nicht der Blick durch die Kamera soll dominieren, sondern die Rezeption selbst steht im Vordergrund.

Das kann musikalisch sein: mit Marko Haavisto & Poutahaukat zum Beispiel. Das sagt Ihnen nichts, klingt aber irgendwie finnisch? Ganz recht: Die vierköpfige Kapelle war bereits in dem Kurzfilm „Dogs have no hell“ des finnischen Ausnahme-Filmemachers Aki Kaurismäki zu sehen, kurz darauf auch in dessen Spielfilm „Der Mann ohne Vergangenheit“. Bevor es weiter nach Essen, Freiburg und Stuttgart geht, machen die Finnen jetzt in Potsdam bei „The Art of“ Station.

Marko Haavisto & Poutahaukat zaubern den perfekten Soundtrack für den melancholisch-anarchischen Duktus der Filme von Kaurismäki, ein von Seenlandschaften geprägten und von Mücken zerstochenen Country-Rock. Den passenden Kaurismäki-Film wird man zu Hause auf DVD nachholen müssen, den Soundtrack dazu gibt es am heutigen Donnerstagabend ab 20 Uhr live im Waschhaus.

Am morgigen Freitag geht es dann weiter mit ganz viel Metaebene: Der Leipziger Erfolgsautor Clemens Meyer und Claudius Nießen, der seit 2008 Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstitutes Leipzig ist und sich von dort bis 2018 offiziell in Elternzeit verabschiedet hat, widmen sich gemeinsam Trash-Filmen – dem Unterirdischsten des Unterirdischen, das es auf alten VHS-Kassetten zu entdecken gibt. Der vielversprechende Titel der Zweimannshow lautet „Zwei Himmelhunde – Irre Filme, die man besser liest“. Ein Jahr lang recherchierten sich Meyer und Nießen durch Filmarchive und fanden dabei, so die Ankündigung, „Filme, die so unterirdisch sind, dass es wehtat, darüber zu schreiben“. Den Beweis für die Existenz haarsträubender B- und C-Movies erbringen die zwei Hobby-Cineasten live in Form eines Selbsterfahrungstrips. Vermutlich auch als Grenzerfahrung.

Mitmach-Cinephilie dagegen am Samstag, zum „Festival des nacherzählten Films“: Jeder hat sicher schon einmal mehr oder weniger kläglich versucht, einen Film oder eine Serie nachzuerzählen. Im Waschhaus wird das zum Wettbewerb, ganz im Stil von Slam-Poetry: Das Publikum ist die Jury, zehn Minuten Zeit gibt es – und natürlich auch etwas zu gewinnen. „Total Recall“ lautet das Motto, totale Erinnerung – und auch das ist eine cineastische Referenz: an Paul Verhoevens „Total Recall“ von 1990, als Arnold Schwarzenegger noch mehr als Terminator denn als Gouvernator wahrgenommen wurde. Nun denn, Cineasten aller Länder, vereinigt euch!

Das Festival „Theartof: Movies“ beginnt heute um 20 Uhr im Waschhaus, Schiffbauergasse 6. Karten und weitere Informationen unter www.waschhaus.de

Oliver Dietrich

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