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Marita Erxleben: Unter anderem Tänzerin, Choreografin und Ballettlehrerin in Potsdam.

© Andreas Klaer

Schon früh in den Tanz verliebt: Marita Erxleben will anderen Kreativen ein Ziel geben

Die Choreografin Marita Erxleben lebt, wie sie unterrichtet: mit großem Herz und ohne Berührungsängste. Derzeit, mitten in Coronakrise, hilft sie sogar im Klinikum aus und unterstützt zudem Künstler in Not.

Potsdam - Im ersten Lockdown, als die meisten Kulturschaffenden Potsdams noch in Schockstarre verharrten, schickte Marita Erxleben ihre Tänzer*innen in die Potsdamer Neubaugebiete. Den ganzen April über erfreuten sie Menschen mit ihren Kurzauftritten und ermunterten sie, sich regelmäßig zu bewegen. 

Auch momentan tanzt die Potsdamer Choreografin wieder auf sehr verschiedenen Hochzeiten: Am kommenden Sonntag veranstaltet sie eine Winter-Charity-Veranstaltung für Künstler*innen, die durch die Corona-Krise in Not geraten sind. Parallel muss sie ihre vier Tanzakademie-Standorte in Potsdam und Beelitz durch die Pandemie bringen, und ihre Lehrer*innen bei der Stange halten – mit Zoom-Unterricht für Schüler*innen verschiedener Alters- und Leistungsklassen. Und sie versucht, neue Projekte anzuschieben und Fördergelder aufzutreiben. 

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Natürlich geht sie auch im jetzigen Lockdown wieder zu denen, die Kultur am meisten brauchen: Ihre Schülerinnen tanzen derzeit zu zweit um Altenheime herum und treten vor Kindergärten auf, wie im Frühjahr in Kooperation mit dem AWO-Bezirksverband Potsdam. Außerdem arbeitet Marita Erxleben wie berichtet seit Ende Dezember 32 Stunden pro Woche in der Notaufnahme des Bergmann-Klinikums

Früh Verantwortung übernommen

Wie schafft es diese Frau, all das alles unter einen Hut zu bringen? Ein Schlüssel dazu liegt wahrscheinlich in der Kindheit von Marita Erxleben begründet. Als älteste Tochter einer alleinerziehenden Mutter mit anfangs zwei, später vier Geschwistern, war sie es gewohnt, früh Verantwortung zu übernehmen. Und: mit sieben verliebte sie sich ins Tanzen. Eine Liebe, die bis heute Bestand hat. „Da war etwas in mir drin, was raus musste“, sagt sie. Und dass nur das Tanzen es ermögliche, ganz bei sich, „im Flow“ zu sein.

Im Pionierhaus, dem heutigen Treffpunkt Freizeit, wurde sie von Günther Seifert für eine Ausbildung als Tänzerin vorbereitet. Sie liebte Rock’nRoll, begeisterte sich für Turniertanz und gehörte 1978/79, als Dreizehnjährige, zum Bezirksfolkloreensemble Potsdam. Als in der Schule die Berufslenkung begann, entschied sie sich gegen das Studium als Russischlehrerin und für die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. 

Das jugendliche Energiebündel fing neben Schwesternausbildung und Schichtdienst auch noch eine dreijährige Ausbildung zur Tanzpädagogin an. Denn als die Ballettmeisterin des Hans Otto Theaters Ilka Unverzagt sie gefragt hatte, ob sie mit Kindern arbeiten würde, hatte sie sofort zugesagt. Schließlich wurde sie zum Medizinstudium delegiert und legte davor ein Fachabitur ab. 1989 bekam sie einen Studienplatz an der Humboldt-Universität und erfuhr zeitgleich, dass sie schwanger ist. 

In starren Systemen fühlt sie sich nicht wohl

In dieser Umbruchssituation entschied sie sich gegen die sichere Bank. Sie folgte ihrem Herzen, denn sie fühlte, „dass sie mit der Kunst mehr für sich und andere bewirken kann“. Sie spürte frühzeitig, dass sie sich in starren Systemen nicht wohlfühlt, nicht weiter entwickeln kann. Schritt für Schritt entwickelte sie daraus folgerichtig ab 1990 ihre berufliche Selbstständigkeit und ihre Tanzakademie, die inzwischen jährlich fast 1000 Schüler*innen unterrichtet und für die Bühne vorbereitet. Gewissermaßen hat in den vergangenen drei Jahrzehnten eine ganze Kleinstadt bei ihr tanzen gelernt. Inzwischen sogar in zweiter Generation.

Seit 1992 fliegt sie auch immer wieder nach New York, um sich am Alvin Ailey American Dance Theatre weiterzubilden. Sie selbst hat alles ausprobiert von Flamenco, Ballett, Contemporary und Modern Dance, bis hin zu Stepptanz und Jazz. Und dabei gelernt, keinen Respekt vor (Stil-)Grenzen zu haben. Sie will, in der Kunst, wie im Leben, immer wieder eine neue Tür aufmachen. Und ihre künstlerischen Kompetenzen ausbauen: neben der Choreografie begeisterte sie sich auch bald für Regie. 

Marita Erxleben im Sommer 2016 vor dem Hans-Otto-Theater in der Schiffbauergasse in Potsdam.
Marita Erxleben im Sommer 2016 vor dem Hans-Otto-Theater in der Schiffbauergasse in Potsdam.

© Andreas Klaer

In den wilden 1990ern knüpfte sie schnell eine Verbindung zu Film und Theatermacher. Choreografierte die Eröffnungsveranstaltung des Filmparks Babelsberg oder arbeitete mit dem Regisseur Robert Thalheim zusammen. Bald interessierte sie sich stärker für das Verhältnis von Sprache und Tanz, choreografierte Bodo Fürneisens Märchenverfilmungen, besuchte dessen Regievorlesungen. 

2008 sah Tobias Wellemeyer ihre „Romeo und Julia“-Inszenierung und lud sie spontan zu einer Regie am Hans Otto Theater ein. Mit „Motte & Co.“ errang sie einen nachhaltigen Publikumserfolg: 49 Vorstellungen. Ihre Erfolge beim Publikum sind nach wie vor oft größer als das Medienecho. Sie selbst macht nicht so viele Worte über ihre vielen Projekte, rührt nicht groß die Werbetrommel.

Auch mal eine Vorführung auf dem Friedhof

Wichtiger ist ihr die positive Resonanz, von Teilnehmenden und vom Publikum. Bis zur Pandemie war das jedes Jahr bei der märchenhaften Jahresaufführung mit bis zu 800 Tänzer*innen der Tanzschule am Hans Otto Theater zu erleben. Oder auch bei ihrem Rilke-Projekt auf dem Stahnsdorfer Friedhof 2017, das sie entwickelte, als Olaf Ihlenfeld sie anfragte. Manchmal ärgert sie sich, wenn sie zu sehr auf die „Kinderschiene“ festgelegt wird und genießt es, wie im Sommer 2020 in der „Woyzeck“-Regie von Tobias Wellemeyer in Bregenz, woanders engagiert zu sein. Dort mit Tobias Wellemeyer gemeinsam an dessen „Woyzeck“ in der Bearbeitung von Robert Wilson zu arbeiten. 

Die Charity-Performance wird live aus ihrer Tanzakademie gestreamt. Dabei sind die Tänzer*innen Elisabeth Kindler-Abali und Ralf Hawkspincap Habicht sowie der Musiker Michael Boden alias Bodenski. Mit dem gespendeten Geld will Marita Erxleben für andere Künstler*innen Projekte entwickeln. Denn in der Pandemie fehle vielen nicht nur das Geld, sagt sie. Sondern vor allem auch ein Ziel.  

Winter-Charity, am Sonntag, 7. Februar 2021, ab 19 Uhr live abrufbar über Instagram und Youtube. Spenden unter www.spass-am-tanz.de.

Astrid Priebs-Tröger

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