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Kultur: Schöpferische Ruhepole

Meerblicke, China-Impressionen und „Rauchzeichen“ bei den Offenen Ateliers

Zweimal im Jahr die eigenen Ateliers und Werkstätten zu öffnen, ist eine gute Idee. Auch wenn am 1. Advent der Weihnachtsmarkt in der Brandenburger einem ersten Höhepunkt entgegen „rummelte“, gab es doch genug Zeitgenossen, die sich diesem Trubel entziehen wollten. Gelegenheiten dazu gab es am vergangenen Wochenende mehr als genug. An über zwanzig Orten in Potsdam und der näheren Umgebung hatten Maler, Grafiker, Bildhauer, Keramikkünstler, Schriftsteller und Modedesigner ihre Türen geöffnet und luden mit ganz unterschiedlichen Präsentationen die Besucher zum Schauen, Mitmachen oder auch Kaufen ein.

Der Maler und Grafiker Sebastian Kommerell lebt und arbeitet erst seit zwei Jahren in Potsdam. Auf einem Gewerbehof in Potsdam-West hat er in direkter Nachbarschaft mit Musikern ein kaum wohnzimmergroßes Atelier angemietet, das momentan von einem fast vier Quadratmeter großen Bild nahezu ausgefüllt wird. Ein „Meerblick“ in einer aufwändigen Spritztechnik, dem sogenannten „Dripping“, entführt in eine freundlichere Jahreszeit und wühlt mit seiner ungebändigten Energie dennoch nachhaltig auf. Kommerell berichtet von seinen Plänen, diese und andere Landschaftsimpressionen in hochwertigen Eigentumswohnungen, gewissermaßen als erstes „Inventar“ aufzuhängen. Außerdem erzählt der sympathische Künstler, der auch in Bars und Galerien als Jazzpianist arbeitet, von seiner ganz eigenen Malphilosophie.

Im Dachgeschoss der Villa Anna in der Hans-Thoma-Straße rennen dem Besucher zuerst zwei kleine chinesische Mädchen vor die Füße. Sie gehören jedoch nicht zum Haushalt der Künstlerin Annette Strathoff, sondern zu den Botschaftsmitarbeitern, die gekommen sind, die künstlerischen Ergebnisse des 1. brandenburgisch–chinesischen Kulturaustausches zu betrachten. Annette Strathoff weilte im September gemeinsam mit einer anderen Künstlerin drei Wochen in der Volksrepublik und präsentiert jetzt druckfrisch ihre „Antwort auf die faszinierenden chinesischen Tuschezeichnungen“: Additive blau-schwarze Drucke auf Original-Reispapier. „Natürlich“ sind auch hier die Wellpappestrukturen zu erkennen, die die Potsdamer Künstlerin schon lange in ihren erdigen Materialcollagen verarbeitet. Doch jetzt als Druckmaterial ist ihre Anmutung wunderbar luftig, leicht und transparent.

Im Atelier „Tonart“ in der Gutenbergstraße von Rapunzel Bräutigam wird man schon beim Eintreten von weihnachtlichen Gesängen empfangen. Die bekannte Sopranistin Christine Wolff gehört zu den Gästen der Vernissage und hat mit den zahlreichen Besuchern gerade „Maria durch ein Dornwald ging“ angestimmt. Ein liebevoll bereitetes Büffet, heimelige Ofenwärme und Kerzenlicht zaubern eine wunderbar vorweihnachtliche Atmosphäre in den gut besuchten Werkstatt- raum. In der aktuellen Ausstellung „Rauchzeichen“ präsentiert die Bildhauerin und Keramikkünstlerin eigene Arbeiten gemeinsam mit dem österreichischen Maler und Grafiker Dieter Puntigam. Der erzählt in seinen Bildern immer wieder vom Ungebundensein des modernen Menschen und von der Flüchtigkeit heutiger Beziehungen. Rapunzel Bräutigam setzt dem ihre erdigen Tongefäße, diese allerdings in Rakubrand-Technik entgegen, bei der schnelles Altern und Risse in den Glasuren erwünscht, jedoch nicht vorhersehbar sind.

Diese erste gemeinsame Ausstellung wandert zum Ende des Jahres nach Amsterdam, von dort nach Venedig und später nach New York. Und auch an diesem Orten wird das Zusammenfließen verschiedener Kunstformen – unter anderem auch mit Tanzperformances – zu erleben sein.

Astrid Priebs-Tröger

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