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Kultur: Schnipsel statt Pixel

Mikos Meininger und Klaus Fahlbusch mit „Seht nur, Seht!“ in der Produzentengalerie M

Sie haben so ganz unterschiedliche Arbeitsweisen und doch viel Verbindendes. Dass die beiden Künstler Klaus D. Fahlbusch und Mikos Meininger mal was zusammen machen würden, ist einerseits irgendwie überraschend – und andererseits wie die Verwirklichung eines lange ausstehenden Experiments. „Seht nur, seht!“ haben sie ihre gemeinsame Werkschau genannt, die es ab heute Abend in der Produzentengalerie M zu sehen gibt.

Der Maler und Druckgrafiker Mikos Meininger ist seit 2005 in Potsdam, mit Chris Hinze betreibt er seit 2009 das Atelierhaus „sans titre“. Meininger ist ein Mensch der Hände. Er brauche etwas zum Anfassen, Material, eine Struktur, sagt er. Um das zu verdeutlichen, zeigt er auf Siebdrucke, bei denen er Naturmaterial, beispielsweise Gräser, als Duckvorlagen genutzt hat. Seit einigen Jahren stellt er auch Skulpturen her, Bronze- und Aluminiumgüsse, die an winzige archäologische Fundstücke erinnern und andererseits gern auch mal etwas größer ausfallen. Die Ausstellung in der Produzentengalerie M bestückt er mit Kleinformatigem, Zeichnungen, Holzschnitten, allerlei Papierprodukten, wie er sich ausdrückt. Auch einige Skulpturen hat er ausgewählt.

Klaus Fahlbusch ist Fotograf. Seine Werkzeuge sind vornehmlich die Augen – und sein Gefühl für den richtigen Augenblick. Auch wenn er vornehmlich auf seinen Weltreisen fotografiert, verbitte er sich die Einordnung in die Schublade Reisefotografie, sagt er bestimmt. „Ich mache Bilder“, sagt Fahlbusch, und dazu braucht es mehr, als mal abzudrücken. Man kennt seine Fotografie in Potsdam von diversen Ausstellungen, in denen er seine Aufnahmen aus Asien, Afrika oder Südamerika zeige. Für „Seht nur, seht“ stellte er eine Auswahl seiner Porträts zusammen, eines seiner Lieblingssujets. Aber auch eine Herausforderung, sagt Fahlbusch.

„Ein Bild ist es erst dann, wenn alles stimmt, wenn sich für den Moment, manchmal nur ein Sekundenbruchteil, eine Verbindung zwischen Mensch und Fotograf ergibt.“ Fahlbusch ist keiner, der sich lange auf Lauer legt. Manchmal hofft er dennoch auf eine bestimmte Pose, dass sich jemand zu ihm dreht, einen Schritt weitergeht, damit der gewünschte Effekt eintritt: „Und wenn es nichts wird, dann ist es eben vertan, dann gibt es keine zweite Chance“. Eine Herausforderung ist auch die Mentalität. Es gebe Religionen, die das Fotografieren verbieten, dann muss er schnell sein oder braucht Überredungskunst. Und so sieht man den Bildern an, dass sie keine Pose brauchen.

Hinter dem Titel „Seht!“ verberge sich die Aufforderung an den Besucher zum aktiven Hinschauen . „Das ist eine Bauanleitung zum Reinsehen und zum reinen Sehen“, sagt Meininger, zum Sehen ohne vorgefertigte Muster, losgelöstes Betrachten. Der beiden geborenen Thüringer haben sich wohl selbst in diesem Prozess gefunden. Fahlbusch findet das witzig. „Ich wuchs in einem thüringischem Dorf im Meininger Weg auf – jetzt geh ich mit einem Meininger ein Stück des Wegs“, sagt er, der sonst meist allein unterwegs ist, „mit Reisepass und biometrischem Passbild als Eintrittskarte in die Welt“.

Daraus entstand die Idee, Passfotos beider zu Großformaten von mehr als drei mal zwei Meter aufzuziehen – und durch je 1240 Einzelbilder der Männer zu ersetzen, ein identitätsstiftendes Mosaik. Meiningers Gesicht besteht ausschließlich aus eigenen Werken, stundenlang hat er am Rechner komponiert, bis es passte. Auch Fahlbusch hat seine Schnipsel ewig hin und her geschoben - freilich virtuell. Möglichst homogene Farbflächen fielen ihm nicht so leicht wie dem Maler. Im Unterschied zu Meininger, dessen Porträt in einer Druckerei gefertigt wurde, hat Fahlbusch allerdings jedes der über 1000 Fotos selbst mühsam ausgeschnitten und aufgeklebt. Die Pixel wurden zu so zu Schnipsel, die in sich eine Werkschau von drei Jahrzehnten bergen. Beim Basteln sei sogar Blut geflossen, sagt Fahlbusch ein wenig verblüfft, und zeigt seinen Finger. „Eine böse Schnittverletzung!“ Nichts konnte die beiden davon davon abhalten, ihr pompöses Werk zu vollenden. Und darum hängt es auch gleich in den ersten Räumen, so prominent, dass der Besucher nicht daran vorbeikommt.

Zur Betrachtung empfiehlt sich ein Fernglas, sagen die Künstler. Das Sehen lasse sich immer wieder neu entdecken, selbst die Künstler, scheint es, sind überrascht von den neuen Aussichten.

Produzentengalerie M, Charlottenstraße 122, Vernissage am heutigen Donnerstag um 19 Uhr, bis 4.8., Mi-Fr 11-17, Sa/So 11-18 Uhr

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