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Schlöndorffs „Michael Kohlhaas“ im Filmmuseum Potsdam: Der jedes Maß verlierende Rebell

Michael Kohlhaas – der Rebell! Das klingt nach staatlicher Willkür, nach Aufbegehren, nach Gerechtigkeit und Heldentum.

Michael Kohlhaas – der Rebell! Das klingt nach staatlicher Willkür, nach Aufbegehren, nach Gerechtigkeit und Heldentum. Das klingt auch nach Revolution! Wenige literarische Helden dienten über die Jahrhunderte hinweg als Identifikationsfiguren wie Kleists Pferdehändler, der sich dem persönlichen Unrecht widersetzt und den Herrschenden den Krieg erklärt. Der Dichter veröffentlichte die Novelle nach einer wahren Begebenheit 1808/10.

Regisseur Volker Schlöndorff hat sich 1968 dem Kleistschen Stoff angenommen und einen Film daraus gemacht: „Michael Kohlhaas – Der Rebell“. Damals, Ende der 60er-Jahre, stand der heute in Babelsberg Wohnende erst am Anfang seiner Karriere als einer der Großen der Filmregisseure. 1975 gelang ihn ein großer Publikumserfolg mit „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, vier Jahre später wurde die Verfilmung des Grass-Romans „Die Blechtrommel“ mit einem Oscar gewürdigt.

Mit Schlöndorffs filmischer Interpretation der Kleist-Novelle wurde am Mittwoch im Filmmuseum die Reihe zum Reformationsjubiläum „Luther im Film“ fortgesetzt. Das Haus der Brandenburgisch- Preußischen Geschichte sowie die Universität Potsdam sind Kooperationspartner dieser Veranstaltung. Zur Einführung konnte Barbara Gribnitz vom Kleist-Museum Frankfurt an der Oder gewonnen werden, die das Thema „Kleist, Kohlhaas und Schlöndorff – eine gescheiterte Literaturverfilmung?“ kurz skizzierte. Aus den Versatzstücken eines Romans oder einer Erzählung entstehe im Film oftmals etwas Neues oder auch nur eine Illustration, so die Literaturwissenschaftlerin. Doch man finde unter den Adaptionen auch Gelungenes, die nah am geschriebenen Wort seien. Wie sie jedoch selbst den Kohlhaas-Film von Schlöndorff einschätzt, gab sie nicht preis. Interessant war die Information, dass der Regisseur sich von seinem eigenen Werk distanziere. Von einem „Scheitern an Kleist“ soll er während einer Veranstaltung in Frankfurt gesprochen haben. Wie er zu dieser Einschätzung kam, hätte den Besucher sicherlich interessiert. Findet der Regisseur den Film nun auch plakativ, zu sehr von überbordenden Aktionen bedacht? Kohlhaas zu einseitig als einen der „schrecklichsten Menschen seiner Zeit“ beleuchtet, wie Kleist ihn selbst einmal bezeichnete?

Der Rosshändler Kohlhaas wird unrechtmäßig um zwei seiner Pferde gebracht.  Bei seinem Versuch, sich Gerechtigkeit zu verschaffen, scheitert er. Vom Staat allein gelassen, entschließt er sich zur Selbstjustiz und verliert dabei jedes Maß. Der Fall Kohlhaas wirft die Frage auf, ob durch Gewalt Gerechtigkeit hergestellt werden kann. Welche Mittel bleiben dem Bürger, wenn der Staat seiner Pflicht, Gerechtigkeit zu schaffen, nicht nachkommt? Bei Kleist und natürlich auch bei Schlöndorff begegnen sich der Rosshändler und Luther.

Der Regisseur setzt den Aufruhr des Kohlhaas, obwohl der aus einer ganz persönlichen Fehde herrührt, in Bezug zu Demonstrationen im 20. Jahrhundert. In seinem Kohlhaas-Film, der in Tschechien entstand, sind im Vorspann dokumentarische Bilder von den Studentenunruhen in Paris im Jahre 1968 zu sehen. Die Niederschlagung des Prager Frühlings im August desselben Jahres konnten sich dagegen nicht auf die Dreharbeiten einwirken, da sie bereits vorher zu Ende waren. Klaus Büstrin

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