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Verzerrter Spiegel der Emotionen. Schauspieler Steffen Findeisen (l.) und Mezzosopranistin Alexandra Broneske spielen im Ensemble I Confidenti in der Tradition der Commedia Dell’Arte. Da die Masken kaum Mimik zulassen, müssen sie fast all ihre Gefühle mit dem Körper vermitteln.

© Alex Hilbert/I Confidenti

Schirrhofnächte in der Schiffbauergasse: Erzählende Körper

Die diesjährigen Schirrhofnächte in der Schiffbauergasse geben sich maskiert und emotional.

Von Sarah Kugler

Er krümmt sich, zieht sich ganz in sich zusammen, um sich dann ganz plötzlich wieder in die Welt hinauszustrecken. Der Körper ist das Erzählinstrument in „Pimpinella und Marc Antonio“, der aktuellen Produktion des Musiktheater-Ensembles I Confidenti, die am 2. September auf den Schirrhofnächten in der Schiffbauergasse Premiere feiert. Und er erzählt nicht nur wie sonst mit einfachen Bewegungen oder großen Gesten. Nein, er lächelt auch, wirft sich in schluchzende Leidensfalten oder verträumte Liebespose. Der Körper ist nicht nur Körper, sondern auch Stirn, Augen und manchmal sogar Mund – kurz: Er ist Körper und Gesicht gleichermaßen. Das muss er auch, denn die Schauspieler tragen durchgängig Masken auf der Bühne. Nicht immer bedecken sie das ganze Gesicht, meist bleibt der Mund frei. Trotzdem ist das Darstellen von Gefühlen eine Herausforderung, wie Darsteller Steffen Findeisen erklärt. Gerade wenn die Augen nur als Schatten aus der Maske hervorluken, falle ein großer Teil der Ausdrucksmöglichkeiten für Emotionen weg. Dabei gibt es von denen im Stück jede Menge.

Aufbauend auf dem traditionellen italienischen Theater, der Commedia Dell’Arte, hat der szenische Leiter Jürgen Hinz eine Collage aus berühmten Zitaten – unter anderem von Goethe, Shakespeare und Luther – gebaut. Entstanden sind mehrere Szenen, die sich thematisch alle ums Essen und Trinken drehen.

Da geht es um hungrige arme Menschen, opulente Festgelage oder die liebestolle Erotik beim kulinarischen Genuss. Die einzelnen Szenen sind an das klassische Repertoire der Commedia Dell’Arte, die sogenannten Lazzi, angelehnt. Auch die Figuren, wie Pulcinella, Arlecchino, Colombina oder der Dottore, sind dem italienischen Theater entnommen. Sie alle verkörpern einen bestimmten Typus Mensch mit charakteristischen Eigenschaften. So ist Arlecchino etwa immer fröhlich und verfressen, während der Dottore in ständiger – und nicht immer angebrachter – Gelehrtheit daherkommt. Aus diesem Figurenkabinett entsteht gepaart mit temporeichen Wortpointen ein witziger Reigen aus Liebe, Streit und Leid, bei der jede Pointe auf den Punkt sitzen muss, damit der Zuschauer sie auch fassen kann.

Untermalt wird das Ganze mit Liedern, unter anderem von Telemann, Purcell und Hasse. Die Arie der Pimpinella aus dem Intermezzo „Pimpinella e Marcantonio“ wurde von Dramarturgin Bettina Bartz extra für das Stück ins Deutsche übertragen. Eine Herausforderung, wie Hinz sagt, schließlich müsse sich die Übertragung genauso weich singen lassen wie das italienische Original. Für Mezzosopranistin Alexandra Broneske besteht die Schwierigkeit eher in den schnellen Wechseln vom Gesprochenen zum Gesang, wie sie sagt. Die Masken, welche durchaus auch mal die ganze Nase umschließen, stören sie nicht – sie sei eher ein Mundatmer. Auch Schauspieler Findeisen hat als gelernter Pantomime Spaß an dem durch die Masken forcierten überbetonten körperlichen Spiel, wie er erzählt.

Genau das Gegenteil, nämlich die absolute Entschleunigung, darf er hingegen in „Irrlichter der Nacht“, einer Co-Produktion des Theaters Nadi und des T-Werks, verkörpern. Die geheimnisvolle Performance aus Tanz und Musik wird ebenfalls während der Schirrhofnächte gezeigt und dreht sich inhaltlich um die Erschaffung der Welt, das Zusammenkommen von Frau und Mann, den Kreislauf des Lebens und der Liebe. Gemeinsam mit Kollegin Noriko Seki schlüpft Findeisen dabei in große beleuchtete barocke Gewänder – und wieder hinter Masken. Die werden hier aber eingesetzt, um den Moment länger auszukosten, die einzelnen Bilder intensiver wirken zu lassen, wie er sagt. „Es ist eine sehr atmosphärische Performance, ein bisschen wie eine andere Welt.“

Nicht unbedingt eine andere, aber doch eine verkehrte Welt zeigt hingegen das Neue Globe Theater mit seiner Inszenierung von Shakespeares „Komödie der Irrungen“ auf den Schirrhofnächten. In dem sehr frühen Stück des Dichters werden zwei Zwillingspaare getrennt, wieder zueinander geführt und zwischendurch kräftig durcheinandergewürfelt. Wie Andreas Erfurth vom Neuen Globe Theater sagt, bildet das Stück einen gutgelaunten Gegensatz zu den düsteren Dramen „Hamlet“ und „König Lear“, die ebenfalls gezeigt werden. Ähnlich wie bei „Pimpinella und Marc Antonio“ wird auch hier gekrümmt, geliebt und gelitten. Allerdings darf der Körper bei den Shakespeare-Stücken nur Körper sein. Das Lächeln und Schluchzen bleibt im Gesicht – was nicht minder eindrucksvoll ist.

Schirrhofnächte in der Schiffbauergasse vom 25. August bis 4. September. Programm unter www.t-werk.de

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