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Träumerisch phantastisch. Ein französisches Kinoplakat zeigt „Münchhausen“ als fantasievollen Abenteuerfilm mit einem romantischen Helden.

© Manfred Thomas

Kultur: Scheinromantik in Kriegszeiten

Das Filmmuseum Potsdam zeigt eine Foyerausstellung zum Ufa-Film „Münchhausen“ von 1943 - warum man sie ansehen sollte.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Der Lügenbaron und die Kanonenkugel. Zwei Bilder, die sich kaum voneinander trennen lassen. Auch in der Ufa-Verfilmung „Münchhausen“ aus dem Jahr 1943 mit Hans Albers in der Hauptrolle darf der Ritt auf der Kugel – als eines von vielen Abenteuern – nicht fehlen. Und so fällt der Blick in der aktuellen Foyerausstellung des Potsdamer Filmmuseums, „Münchhausen. Lügen in Agfacolor“ zuerst auf die Plakate mit eben diesem Motiv. Nur um gleich zu den danebenhängenden internationalen Plakaten – alle aus der Privatsammlung des AustraliersWilliam Gillespie – zu wandern, die von einem anderen Film erzählen.

Oder zumindest von einem anderen Münchhausen: Nicht von dem durch einen Pakt ewig jung bleibenden Abenteurer, sondern von dem galanten Frauenhelden. Sowohl auf dem spanischen Plakat als auch auf dem italienischen geht die Bildkomposition in diese Richtung. Die Italiener zeigen Hans Albers auch nicht als Solostar, sondern neben  Brigitte Horney als Katharina II. und Ilse Werner als Prinzessin Isabella d’Este. Ein großes französisches Kinoplakat legt den Schwepunkt auf den phantastischen Charakter des Films: Mit verträumten Venedig- und Orientmotiven sowie einem Münchhausen, der mit einer Dame durch den Sternenhimmel schwebt. Scheinromantik in Kriegszeiten. Denn gezeigt wurde der Film nur in den von Deutschland besetzten Ländern. Zum Teil untertitelt, in Frankreich synchronisiert.

Film noch einmal zu sehen

Heute Abend nach der offiziellen Eröffnung der Foyerausstellung um 19 Uhr, wird der Film um 19.30 Uhr in einer restaurierten Fassung noch einmal im Filmmuseum zu sehen sein. Von der zu erwartenden Farbbrillianz schwärmt Filmmuseumschefin Ursula von Keitz bereits am Mittwoch: Ganz zarte Farbtöne habe Restauratorin Anke Wilkening herausgearbeitet. Die unterschiedlichen Settings kämen dabei durch ein jeweils individuelles Farbkonzept wieder voll zur Geltung.

„Münchhausen“ war erst der vierte Farbfilm in Deutschland überhaupt. In Farbe zu drehen sei damals immer noch eine Ausnahme gewesen, wie von Keitz sagt, gar ein Experiment. Auch das greift die Ausstellung, die vor allem im oberen Foyer zu sehen ist, auf. Überhaupt gibt sie einen Einblick hinter die Kulissen des Films, der damals zum Jubiläumsfilm der seit 25 Jahren bestehenden Ufa auserkoren wurde.

Erich Kästner schrieb das Drehbuch

Das Drehbuch schrieb niemand geringeres als Erich Kästner, der damals eigentlich schon längst Berufsverbot hatte. Doch gute Beziehungen zur Ufa und der Mangel an guten Drehbuchautoren erlaubten hier eine temporäre Ausnahme, wie von Keitz erklärt. Sofort nach Drehende wurde sie wieder aufgehoben, Kästner schrieb außerdem unter dem Pseudonym Berthold Bürger. Vermutlich schon seit 1933 beschäftigte sich Kästner mit der literarischen Münchhausen-Vorlage von Gottfried August Bürger aus dem 18. Jahrhundert. Akribisch listete er auf, welche Münchhausen-Anekdoten richtig und welche falsch seien. Auch eine Szenenliste, für welche Filmtricks benötigt werden, legte er an. Neben diesen Papieren – allesamt Leihgaben aus dem Literaturarchiv Marbach – gibt es ab heute im Filmmuseum auch zwei kommentierte Drehbücher von Kästner zu sehen: Zum einen den in Prosa geschriebenen Filmaufriss, der 115 Seiten umfasst sowie das klassische Drehbuch in voller Länge. Denn nicht alle von Kästner geschrieben Szenen schafften es in die Endfassung. So gab es ursprünglich einen Erzählrahmen, in dem Filmleute zu Münchhausen kommen, mit dem Vorschlag sein Leben verfilmen zu wollen. Zu sehen ist das im Film nicht.

Ritt auf Kanonenkugel mit Draht und zweiter Leinwand

Was natürlich geblieben ist, ist der Ritt auf der Kanonenkugel. Aufwendig eingefangen, ganz ohne Greenscreen, dafür mit Draht und zweiter Leinwand. Wie das genau funktioniert oder auch, wie die Mondfrau im Film ihren Kopf auf einem Blumenstengel ablegen kann, erklärt die Ausstellung unter anderem mit Hilfe einer extra angefertigten Grafik. Der Flugtrick allerdings wird bildlich nachvollzogen: An Hand eines Aquarells, das Trickkameramann Gerhard Huttula von den Dreharbeiten angefertigt hat. Im Mittelpunkt ist der Baron auf der Kanonenkugel zu sehen – angestrahlt von Scheinwerferlicht und umringt von weißen Wölkchen. Sarah Kugler

Eröffnung der Ausstellung heute Abend um 19 Uhr, Filmvorführung „Münchhausen“ um 19.30 Uhr. Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Februar 2018 zu sehen

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