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Nie gebeugt. Jutta Hoffmann habe niemals wirklich unter der Regie von jemandem gespielt, schreibt der Regisseur Egon Günther über sie. Falsche Autoritätsansprüche oder Anweisungen habe sie zurückgewiesen, auch von der DDR-Kulturpolitik habe sie sich nicht zerreiben lassen.

© Archiv

Schauspielerin Jutta Hoffmann ist 75 Jahre alt geworden: Die Unbeirrbare

Am 3. März ist die in Potsdam lebende Schauspielerin Jutta Hoffmann 75 Jahre alt geworden. Am Sonntag zeigt das Filmmuseum ihren in der DDR verbotenen Film "Karla" .

Wenn sie in dem neuen Fernsehfilm auftritt, wird wohl wieder die halbe DDR zuschauen. Jutta Hoffmann gilt immer noch als der älteren Bevölkerung des Ostens liebste Schauspielerin, auch wenn der dazugehörige Staat vor 26 Jahren unterging und Hoffmann sich schon Jahre zuvor von ihm verabschiedete. Im Herbst wird Jutta Hoffmann als Protagonistin in dem Familiendrama „Ein Teil von uns“ in einer Produktion des Bayrischen Rundfunks zu sehen sein.

Die zierliche, fast ätherisch wirkende Hoffmann spielt darin eine auf der Straße lebende Frau, die nach Jahren wieder bei ihrer Tochter auftaucht. Nur noch spärlich ist sie in Film und Fernsehen zu sehen, doch wenn, dann kann sie sich einer treuen Zuschauerschaft sicher sein. Denn für die Menschen in der DDR verkörpert Jutta Hoffmann mehr als nur ihre Rollen.

Am heutigen Donnerstag wird sie 75 Jahre alt, Interviews aus diesem Anlass will sie nicht geben. Doch sie wird am Sonntag im Filmmuseum erwartet, das der in Potsdam lebenden Schauspielerin einen Abend widmet.

Jutta Hoffmann wurde 1941 als Arbeiterkind geboren, in Halle-Nietleben, unweit der DDR-Chemiefabriken Buna und Leuna. Dort, in der Laienschauspielgruppe der Buna-Werke in Schkopau, begann ihre Karriere. Sie wollte nie etwas anderes werden als Schauspielerin und studierte nach dem Abitur an der Filmhochschule in Babelsberg. Ihre erste Filmrolle erhielt sie bereits mit 19, berühmt wurde sie allerdings als Karla in dem gleichnamigen Streifen von Herrmann Zschoche.

Eben diesen so emblematischen Film über eine junge Lehrerin, die neue Wege aus den gesellschaftlichen Zwängen sucht, zeigt das Filmmuseum am Sonntag. Der Film wurde im Zuge des 11. Plenums der ZK der SED zuerst zurechtgestutzt, dann gänzlich verboten. Überhaupt tritt in den verbotenen Filmen dieser Zeit Hoffmann als Hauptdarstellerin häufig in Erscheinung, etwa in „Denk bloß nicht, ich heule“ von Frank Vogel.

Wie die Figuren, die sie spielt, trägt auch Jutta Hoffmann etwas ungemein Standhaftes und Unbeirrbares in sich. So auch in dem Film „Der Dritte“ von Egon Günther, in dem sie eine alleinerziehende Chemielaborantin in Bitterfeld spielte – und der ihr 1972 bei den Filmfestspielen in Venedig den Silbernen Löwen als „Beste Darstellerin“ brachte. Mit Egon Günther hatte sie ihren Regisseur bei der Defa gefunden. Er sagte über Hoffmann: „Jutta ist nicht unterdrückbar. Sie steht da und kann nicht anders.“ Ihre Leistung entstehe aus Identifikation und Opposition – und beides sei beträchtlich. Eine Identifikation mit ihren Rollen, die sie, so unscheinbar sie wirkt, mit großartiger minimaler Mimik auszufüllen vermag. Und eine Opposition, die ihr zwar Aufführungsverbote brachte, aber an der sie nicht künstlerisch zerbrach – im Gegenteil. Sie führte sie zu den großen Regisseuren der Bundesrepublik.

Ihr erstes Theaterengagement bekam sie am Maxim Gorki Theater, zwischenzeitlich wechselte sie zum Deutschen Theater und 1973 zum Berliner Ensemble. Dort traf sie Einar Schleef und spielte 1975 unter seiner Regie Strindbergs „Fräulein Julie“ – eine Sternstunde des Theaters und ein Skandal für die DDR-Obersten und die Brecht-Erben: Jutta Hoffmann, die die Julie emanzipatorisch wie eine Jeanne d’Arc mit einem Hackebeil statt einer Fahne spielte, flieht darin, ein Messer zwischen den Zähnen, über die Sitzreihen. Das Stück wurde alsbald abgesetzt. Ein Jahr später protestierte Jutta Hoffmann öffentlich gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns.

Statt selbst auch zu gehen, blieb sie aber in dem Land, von deren Kulturpolitik sie sich längst verabschiedet hatte. Immerhin durfte sie nun auch im Westen arbeiten, als Schauspielerin in der DDR war sie seit den späten 70er Jahren allerdings so gut wie verschwunden. Dafür spielte sie in Westberlin an der Schaubühne in der Regie von Luc Bondy, später am Hamburger Schauspielhaus unter Peter Zadek. Obwohl sie niemals unter der Regie von jemandem spielte. „Falsche Autoritätsansprüche durch Texte oder Anweisungen der Regie weist sie zurück, verbal oder durch entsprechendes Spiel auf den Proben“, schreibt Egon Günther über Hoffmann.

Nach der Wende und der Einheit, die sie in ihrem halleschen Zungenschlag „zusammengemanscht“ nannte, war sie Professorin für Darstellende Kunst an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Und spielte im Unterhaltungsfernsehen große Rollen, so in Wolfgang Menges satirischer Serie „Ein Herz und eine Seele“ oder als Kommissarin Rosenbaum im „Polizeiruf 110“, die sie selbst erfand und die, wie sie sagte, „alle Tugenden und Schwächen hatte, die meine alten Figuren hatten.“ Das Zarte und das Zähe und das unbeirrbar Klare.

Sonntag, 19 Uhr, im Filmmuseum Potsdam, Breite Straße 1A: „Karla“.

Grit Weirauch

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